Wenn die Hoffnung auf den Sozialismus weiterlebt

Noch heute haben linke Listen im Studierendenparlament der Hamburger Universität die Mehrheit. Doch es gibt nur einen kommissarischen Asta, weil die Gruppen zerstritten sind – in Orthodoxe auf der einen und Undogmatische auf der anderen Seite. Ob sich das nach den nächsten Wahlen ändert?

Des Eklats zweiter Akt: Die Bannerträger Detlev Albers und Gert Hinnerk Behlmer „geleiten“ die Professoren die Treppe zur Bühne hinunter Foto: Staatsarchiv Hamburg

Von Kaija Kutter

Als vor wenigen Tagen die Studienanfänger im Audimax der Hamburger Uni begrüßt wurden, wurden sie auch an die Heldentaten ihrer Großeltern vor 50 Jahren erinnert. „Unter den Talaren / Muff von 1000 Jahren“, diese Protestaktion sei Ausgangspunkt für die Studierendenbewegung der 60er und 70er-Jahre gewesen, sagte die Asta-Vorsitzende Franziska Hildebrandt. „Bis heute profitieren wir von diesen engagierten und auch teilweise konsequent weitergeführten Kämpfen.“ Auch die „verfasste Studierendenschaft als solidarische Kampfgemeinschaft“ sei ein Verdienst der 68er.

Asta ist das Kürzel für Allgemeiner Studierendenausschuss. Er verfügt über Mitarbeiter und Referate und ein Budget, bezahlt von den Studierenden. Er wird gewählt aus der Mitte des Studierendenparlaments, kurz Stupa. Und er ist schon seit Jahrzehnten stets heiß umkämpft.

In Hamburg haben für ein paar Jahre die Jusos den Asta gestellt, inzwischen ist es die Gruppe „Campus Grün“ in Verbindung mit der linken Gruppe SDS (Sozialistisch deutscher Studierendenverband). Dieser Asta ist zurzeit nur kommissarisch im Amt, weil die bisherige Koalition im Stupa keine Mehrheit mehr bekam. Hinter den Kulissen soll der Haussegen schief hängen. Die taz fragte bei Campus Grün ein Interview an, bekam dies auch. Anschließend sollte es aber nicht veröffentlicht werden. Weil der Fokus nicht auf dem Positiven lag.

„Es gibt an der Uni die orthodoxen Linken und die undogmatischen Linken“, erzählt ein ehemaliges Stupa-Mitglied, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Die Orthodoxen haben es sich mit den Undogmatischen verdorben.“ Auch um Umgangsformen soll es dabei gehen, eine übertriebene Fixierung auf den Kampf um Studienbedingungen und eine Überfrachtung dieser Kämpfe mit Sozialismushoffnungen. Es herrsche ein Moralismus und übertriebener Geschichtsoptimismus. In einem Papier bitten sieben kleine Listen die CampusGrünen, neue Bündnisse einzugehen und den alten Asta zu verlassen. „Das haben die aber nicht gemacht“, so der Stupa-Veteran.

Insgesamt 14 verschiedene „Listen“ sitzen derzeit im Stupa, das 47 Sitze zu vergeben hat. Sie haben teilweise lustige Namen wie „Bier und Glühwein statt Zettelflut in den Mensen“, „Unicorns“ oder auch schlicht „Medizinerliste“, „Jura-Liste“, „Alternative Liste“ oder „Geisteswissenschaften“. Die meisten ergatterten nur ein, zwei, drei oder vier Sitze. Die stärkste Gruppe ist Campus Grün mit elf Sitzen.

„Wir haben im Stupa immer das Problem, dass es keine Prozenthürde gibt und die Listen sehr zersplittert sind“, so beschreibt Ramon Weilinger von der CDU-Hochschulgruppe RCDS die Lage. „Auf der linken Seite sitzen unterschiedliche Fraktionen, die sich untereinander nicht leiden können.“ Deshalb sei seit Monaten der zuletzt gewählte Asta kommissarisch im Amt. Das sei keine schöne Situation, „aber die Geschäfte laufen“.

Ein Blick in die Wahlzeitung vom letzten Jahr zeigt, was die verschiedenen Akteure umtreibt. „Wir alle sind herausgefordert, die Uni zu einer Weltverbesserungsinstitution umzugestalten“, schreibt der SDS, zu dem auch die Asta-Vorsitzende Hildebrandt gehört. Sie hält die Kämpfe der 68er für „aktueller denn je“. Durch das Bachelor-Master-System und die Ökonomisierung sollten die Hochschulen zu „Fertigungsstraßen von Konformität und verwertbaren Forschungsinteressen“ werden, meint sie. „Wir brauchen einen neuen Aufbruch aus der Enge und dem Muff der Leistungsgesellschaft.“

Andere Gruppen fordern auch profane Dinge wie Mensa-Rabatt, Trinkwasserspender an jedem Standort oder bessere Öffnungszeiten der Bibliotheken, mehr Wohnraum oder endlich wieder ein Open-Air-Festival auf dem Campus. Der RCDS macht offen Front gegen den „Linksaußen“ Asta und moniert, dass zu viel Geld für Demonstrationen ausgegeben werde und dass es „sozialistische“ Orientierungswochen für Studienanfänger gebe. Und die Liberale Hochschulgruppe möchte die „Asta-Zwangsgebühren“ von 10,90 Euro auf 5 Euro drücken und fordert vom Asta „mehr Service – weniger Ideologie! Wir wollen einen Service- statt Umerziehungs-Asta!“. An Jamaika ist an der Uni wohl nicht zu denken.

In einem Antrag, der nun noch auf der Tagesordnung des Stupa schlummert, fordert der RCDS zudem eine Zeitung für den Stupa. „Wir wollen eine Redaktion, die vom Parlament gewählt wird. In der Satzung müsste garantiert sein, dass jede Fraktion Platz bekommt“, sagt Ramon Weilinger. An der Uni gebe es keine richtige Öffentlichkeit. „Es fehlt die vierte Gewalt.“

Der Asta gebe zwar regelmäßig eine Plakatzeitung namens „Das Stille Wörtchen“ heraus, „aber da findet keine Debatte statt“, sagt der Nachwuchs-Christdemokrat. Die Publikation habe mehr Verkündungscharakter.

Über den Zeitungsantrag wurde noch nicht abgestimmt. Weilinger erhofft sich dadurch ein größeres Interesse für den Stupa, der zuletzt nur von rund 15 Prozent der Studierenden gewählt wurde. Dieses geringe Interesse an Gremienarbeit treibt wohl alle Gruppen um.

Noch-Asta-Chefin Franziska Hildebrandt lässt sich jedoch nicht beirren: „Wir können uns nicht ausruhen“, ermahnte sie die Erstsemester in ihrer Rede. „Weil wir uns mit dem Ausruhen auch einfach selber bekämpfen.“