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Eierlegende Wollmilchsau fürs grüne Gewissen

Blockheizkraftwerke erzeugen Wärme und Strom. Sie verwerten dabei 90 Prozent des Brennstoffs, wo herkömmliche Kraftwerke nur rund ein Drittel schaffen. Aber für wen lohnt sich eine Investition in die teuren Anlagen?

Ein mit Erdgas betriebener Ottomotor treibt einen Generator zur Strom- erzeugung an: geöffnetes Blockheizkraftwerk auf dem „Energie-Campus“ der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg- Bergedorf Foto: Christian Charisius/dpa

Von Lukas Thöle

Eigentlich ist es wie ein Auto: Auch beim Blockheizkraftwerk (BHKW) verbrennt ein Motor Gas oder Öl und erzeugt dadurch Energie. Bloß wird die nicht auf Achsen und Räder übertragen, sondern auf einen Generator – so entsteht Strom. Die abfallende Wärmeenergie wird gespeichert und später wiederverwendet. Diese Kopplung von Kraft und Wärme ist ressourcenschonend. Jede Kilowattstunde Strom erzeugt etwa drei Kilowattstunden Wärme. Und an kalten Tagen unterstützt ein „Spitzenkessel“ das BHKW, das sind „normale“ Heizkessel. Das BHKW deckt dabei aber immer noch bis zu 80 Prozent des Jahreswärmebedarfes.

Große Kraftwerke dieser Art können ganze Siedlungen mit Strom und Wärme versorgen. Die Stadtwerke Verden etwa betreiben seit 2012 das „Heizhaus Weserstraße 96“: Mit einer Leistung von 250 Kilowatt beliefert das dortige BHKW etwa 200 Wohnungen im angrenzenden Wohngebiet Maulhoop. In Grohn in Bremen-Nord entsteht mit dieser Technik die erste Klimaschutzsiedlung Deutschlands.

In Einfamilienhäusern eignen sich kleine BHKWs nur bedingt – trotz der staatlichen Förderung (siehe Kasten). Solche Kraftwerke leisten bis zu zweieinhalb Kilowatt. Aber auch das ist laut Ulrich Imkeller-Benjes von der BEKS Energieeffizienz GmbH noch zu viel. Kleinere Kraftwerke, die weniger als ein Kilowatt leisten, seien aber noch teuer. Und überhaupt nennt er kleine BHKWs insgesamt technisch unzuverlässig.

Die inzwischen etwa kühlschrankgroßen Geräte entlasten zwar die Stromrechnung, ein BHKW lohnt sich aber erst, wenn es auch lange genug läuft. In Betrieb ist so ein Kraftwerk jedoch nur, wenn die Wärme auch gebraucht wird. Imkeller-Benjes empfiehlt Interessierten, den eigenen Energiebedarf zunächst durch einen BHKW-Check zu ermitteln.

Ein Blockheizkraftwerk rentiert sich erst ab einer Wärmeleistung von 4.500 Kilowattstunden. Laut Raymond Krieger von der Verbraucherzentrale Bremen muss die Anlage dafür 5.500 Stunden laufen, also zwei Drittel der 8.760 Stunden eines Jahres. Krieger hält diese Auslastung in einem Einfamilienhaus für kaum wahrscheinlich. „Sinnvoller ist der Betrieb in größerem Maßstab“, sagt auch sein Hamburger Kollege Jan-Peter Peters.

In Mehrfamilienhäusern nutzen VermieterInnen Blockheizkraftwerke, um sogenannten Mieterstrom herzustellen: Der entsteht im Wohngebäude selbst und wird direkt an die BewohnerInnen verkauft. Über den Strompreis zahlen sie Umsatzsteuer und die Umlage für erneuerbare Energien. Von weiteren Abgaben ist solcher Mieterstrom befreit, vor Ort ungenutzten Strom nehmen Energieversorger ab.

Solche Mietermodelle gibt es zum Beispiel in Hamburg: Bei 100 Wohnungen in der Grünebergstraße in Ottensen musste 2015 die Heizungsanlage erneuert werden. Die Eigentümergemeinschaft ersetzte zusammen mit zwei Energieberatern den Ölkessel im Keller durch sechs gebrauchte BHKWs. Die neue Anlage läuft seit 2016 und sparte im ersten Jahr über 60.000 Euro ein. Für den erzeugten Strom zahlen MieterInnen aktuell 24 Cent pro Kilowattstunde. Durch die entfallene Grundgebühr sparen die AnwohnerInnen zusätzlich 50 bis 100 Euro jährlich. Auch Wohnungsunternehmen im Land Bremen setzen vermehrt auf Mieterstrom.

Bei den recht hohen Investitionskosten für die BHKW-Anschaffung kann Contracting helfen: Ein externer Dienstleister übernimmt dabei Kauf, Einbau und Wartung des BHKWs. Anschließend vermietet er das Recht, den Strom zu nutzen. „Über die langen Laufzeiten ist man dem Dienstleister quasi ausgeliefert“, merkt Peters an. Und das Kraftwerk gehöre hinterher – je nach Vertrag – unter Umständen nicht den WohnungseigentümerInnen, sondern dem Dienstleister. „Jeder muss selbst entscheiden, was für seine Finanzen besser ist“, sagt Krieger. Auch für Imkeller-Benjes ist Contracting nur in größeren Gebäuden sinnvoll.

Eine weitere Stolperfalle ist die unübersichtliche Gesetzeslage. Denn BHKWs machen VerbraucherInnen energie- und steuerrechtlich zu EnergieproduzentInnen. „Diese Entwicklung ist rechtliches Neuland“, sagt Peters. Und insbesondere beim Contracting gebe es noch viele Gesetzeslücken. „Das öffnet die juristische Büchse der Pandora“, so Peters. Wartungskosten und andere Details empfiehlt er vertraglich zu regeln.

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29,16 Cent kostet die Kilowattstunde Strom vom Energieversorger in Deutschland derzeit durchschnittlich.

Am teuersten ist Strom in Mecklenburg-Vorpommern, dicht gefolgt von Schleswig-Holstein. Am günstigsten ist er in Bremen, im Mittelfeld liegen Niedersachsen und Hamburg (Quelle: stromauskunft.de).

Einen Zuschlag für Blockheizkraftwerke (BHKWs) zahlt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Gefördert werden dabei die ersten 60.000 Betriebsstunden, das entspricht zehn Jahren. Die Vergütung besteht aus dem KWK-Zuschlag, dem „üblichen Strompreis“ der Strombörse und vermiedenen Netzkosten. Auch die Länder fördern Blockheizkraftwerke.

Je nach Verwendung des Stroms liegt die Vergütung bei vier bis zwölf Cent pro Kilowattstunde. Den Strom selbst zu nutzen, ist also lohnender, als ihn ins Stromnetz einzuspeisen.

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Zusätzlich verkompliziert wird die Lage dadurch, dass sich die einschlägige Gesetzeslage häufig ändert: Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWK) regelt, wie der Bund BHKWs fördert. Seit der Novelle im Jahr 2016 werden da etwa keine Kraftwerke mehr unterstützt, die mit Kohle betrieben werden. Weiterhin ist der „KWK-Zuschlag“ nun abhängig davon, wie leistungsstark das Kraftwerk ist und wie der Strom verwendet wird. Bei kleinen BHKWs gilt: Für selbst genutzten Strom zahlt der Bund vier Cent pro Kilowattstunde. Wird der im Keller erzeugte Strom ins Netz eingespeist, beträgt der Zuschlag acht Cent. Auch die Preise, die Strom auf der Leipziger Strombörse erzielt, beeinflussen diese Förderung. Die Vergütung ändert sich dadurch jährlich.

Wird das Kraftwerk mit Biomasse betrieben, ist auch eine Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) möglich. „Bei Biogasmotoren gibt es jedoch Meldungen, dass sie schnell kaputtgehen“, sagt Peters. Deswegen hat sich vor Kurzem die Interessengemeinschaft „IG Biogasmotoren“ mit Sitz in Hamburg gegründet: Sie versteht sich als Anlaufstelle für Biogas-BHKW-Betreiber.

„Die Gesetzeslage ist komplex“, sagt Krieger. Eine langfristige und feste Vergütung gebe es nicht mehr. Man müsse daher „haargenau“ rechnen. Häufig erschienen BHKWs auf den ersten Blick attraktiv. „Aber auf zehn Jahre berechnet, kann das anders aussehen“, so Krieger. Und: „Die beste Art des Stromsparens ist, den Strom erst gar nicht zu verbrauchen.“

Weil das alles verwirrend sein kann, gibt es verschiedene Beratungsstellen. Interessierte können sich etwa an die Genossenschaft „Energienetz Hamburg“ wenden. Auch die regionalen Verbraucherzentralen beraten bei Energiefragen. Einen Fragebogen bietet etwa auch die Klimaschutzstelle der Stadt Oldenburg an.