das ding, das kommt
: Das Brechen und das Platzen

„Pop!“, macht so ein platzender Luftballon, und der Pop tut das – in manchen Ohren – erst recht. Foto: Andrew Magill/Wikimedia Commons

Es gibt unter denen, die über Pop reden (oder schreiben), zwei große Fraktionen: Die Vertreter der einen erkennen in dem kurzen Wort Reste von sehr viel Größerem, auch Vorzeigbarerem: „Pop“ ist demnach Rest des Populären oder auch, auf Institutsgängen, Popularen. Und darin versteckt sich eine lange Zeit an vielen Orten als arg problematische Größe: das Volk und gar das Volkstümliche.

Dagegen leitet die andere Fraktion die Vokabel übers Klangliche her: „Pop“kommt dann vom „Pop!“, wie beim Platzen einer Kaugummiblase vielleicht; vergleiche auch: Pop-Art. Da geht es also gerade nicht um irgend etwas Ewiges, an das anzuknüpfen wäre, sondern ums Gegenteil: das Unauthentische, das zum Wegwerfen-nach-Gebrauch-Gemachte, das Moden unterworfene und sich selbst immer wieder als überkommen Ablösende: Wenig ist so alt wie die Hitsingle von gestern.

Aber versteht das heute überhaupt noch jeder: „Hitsingle“? Und ist Pop, so sehr er sich auch als stets gegenwärtig inszeniert, nicht zunehmend Gefangener dessen, was war – und sich also zitieren lässt, sei es als isoliertes Sample, als anspielungsreich gewählte Klangfarbe oder als Wiederaufwärmen gleich ganzer subkultureller Verästelungen?

„Fragen des popmusikalischen Wandels“ nahm sich im vergangenen Jahr Jens Balzer vor, im Buch „Pop. Ein Panorama der Gegenwart“ (Rowohlt Berlin, 256 S., 20 Euro). Ausgehend von Beobachtungen bei einem Helene-Fischer-Konzert – für das Gros hiesiger Pop-Kritik lange Zeit ohne jede Relevanz – sucht der Vize-Feuilletonchef der Berliner Zeitung etwa auszuleuchten, seit wann der Pop von „gebrochenen Ich-Identitäten bevölkert“ ist – „und von Freaks“.

Wer nun findet, über Pop zu reden, also: so zu reden (oder schreiben), das sei doch wie Architektur rauchen, dem könnte das Duo Sisters näher sein, gerade mit seinem zweiten Album „Wait Don’t Wait“ (Tender Loving Empire) auf kleinen Bühnen unterwegs: Diese Mitnichten-Schwestern aus dem gegen- und popkulturell ja nicht eben unbeleckten Seattle, Washington, spielen einen auf Authentizität wenig gebenden, queeren, doppelbödigen Pop, wie ihn Helene Fischer nie zur Kenntnis nehmen wird. Andererseits – wer weiß? Alexander Diehl

Jens Balzer liest aus „Pop“: Sa, 18. 11., Wolfsburg, Sauna-Klub; 23. 1. 2018, Göttingen, Literarisches Zentrum

Sisters live: Do, 23. 11., Braunschweig, Kaufbar; Fr, 24. 11., Bremen, Kartonage; So, 26. 11., Hamburg, Pony Bar