Massenhafte Kontrollen

Ukrainische Behörden fahnden nach Menschen, die sich illegal im Land aufhalten. Heftige Kritik von NGOs

Aus Kiew Bernhard Clasen

Verstärkte Kontrollen, ausländerfeindliche Rhetorik, Vorladungen aufs Polizeirevier: In zahlreichen ukrainischen Städten gehen die Behörden im Rahmen der landesweiten „Operation Migrant“ gezielt auf die Suche nach Ausländern, die sich illegal in der Ukraine aufhalten. Menschenrechtler verurteilen die Aktionen.

Ziel der für den Zeitraum vom 26. Oktober bis zum 24. Dezember geplanten Maßnahmen sei „die Verhinderung von illegaler Migration und anderen von Ausländern auf dem Gebiet der Ukraine begangenen Rechtsbrüchen“, erklärte Vjatscheslav Abroskin, stellvertretender Chef der ukrainischen Nationalpolizei, auf der Homepage des ukrainischen Innenministeriums. Jedes vierte Verbrechen im Land, sagte Abroskin, werde von Migranten begangen.

Seit Anfang November melden die Behörden die Ergebnisse der „Operation Migrant“: Am Montag zum Beispiel berichtete der staatliche Migrationsdienst im Gebiet Saporischja im Süden der Ukraine, dass man in den letzten drei Wochen bei 97 Personen eine Verletzung der Migrationsbestimmungen festgestellt habe. Gegen 22 dieser Menschen liege bereits eine Entscheidung zur Abschiebung vor.

Am Freitag vergangener Woche schon waren in der Stadt Sumi im Nordosten des Landes über 60 Ausländer in die örtliche Polizeidienststelle zur Überprüfung der Personalien vorgeladen worden. Die in Sumi tätige Menschenrechtlerin Irina Bilik berichtete der taz, sie habe persönlich im Dienstbuch auf der Polizeistation einige Namen der Vorgeladenen gesehen, es seien vor allem arabische Namen gewesen.

Ebenfalls am Freitag vergangener Woche berichtet der Server der Polizei des Gebietes Donezk im östlichen Landesteil, man habe innerhalb von einer Woche sechs Menschen aus der Türkei, Aserbaidschan, Russland und Georgien ohne gültige wohnbehördliche Anmeldung entdeckt.

Menschenrechtler in der Ukraine kritisieren die „Operation Migrant“ scharf: Der Staat behaupte zwar in seiner Menschenrechts- und Migrationsstrategie, dass er keine Jagd auf Menschen wegen ihres Aussehens mache, sagte Darina Tolkatsch von der Flüchtlingshilfsorganisation Right2Protection im Radiosender Hromadske. „Doch nun lässt er sich von physiognomischen Unterschieden der Ausländer bei einer Aktion leiten, bei der Menschen, die die Migrationsbestimmungen verletzt haben, wegen dieser Unterschiede aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden sollen“. Tolkatsch kritisierte die Stimmungsmache der Aktion. „Die Rhetorik der Kampagne verfestigt bei den Menschen die Vorstellung: Migrant gleich Verbrecher“, sagte die Menschenrechtlerin zur taz.