Auf heißen Kohlen

Familie S. kämpft seit Jahren um eine neue Wohnung

Familie Ströhm an der Kaffeetafel im Wohnzimmer Foto: Gabriele Goettle

Von Gabriele Goettle

„… Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein, in allen gleichen, gemeinsamen und redlichen Dingen, ohne allen Vorbehalt. So wahr mir Gott helfe ...“, lautet die Eidesformel aus dem 14. Jahrhundert, die der Ulmer Oberbürgermeister jedes Jahr öffentlich bei der Schwörfeier auf die Stadtverfassung ablegt.

Familie Ströhm – Vater, Mutter und zwei Söhne – lebt südlich der Ulmer City im Stadtteil Wiblingen, der durch die Betonburgen der Satellitenstadt und die dort abseits der Innenstadt untergebrachten Russlanddeutschen, Migranten- und Hartz-IV-Familien als Problembezirk gilt. Jeder Dritte hat hier AfD gewählt, die Quote der Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen ist überproportional hoch. Ströhms wohnen abseits der Satellitenstadt in schöner Lage, direkt am Lustgarten und dem ehemaligen Benediktinerkloster. Ihre Dreizimmerwohnung befindet sich in einem desolaten Haus der Stadt, dem ehemaligen Rathaus von Wiblingen. Im Untergeschoss gibt es noch eine städtische Einrichtung.

Das Treppenhaus ist düster und riecht ein wenig nach Moder. Herr Gordian Ströhm öffnet mir, begrüßt mich freundlich und führt mich, gefolgt von seiner Schäferhündin, ins Wohnzimmer. Als Erstes stellt er den Ton des Fernsehgerätes leise. Frau Ströhm kommt mit einer Kanne Kaffee aus der Küche, reicht mir die Hand und fordert mich auf, Platz zu nehmen, wo es mir gefällt. Der Couchtisch ist mit Tassen und Tellern gedeckt, in der Mitte steht ein selbst gebackener Schokoladenkuchen. Die Hündin legt sich unter den Tisch, lässt sich streicheln und schläft ein, während ihre Herrschaft auf der Couch Platz nimmt, mir Kaffee einschenkt und Kuchen reicht. Eine so gastliche Begrüßung erlebe ich nicht oft.

Ich bitte Herrn Ströhm, mir kurz von sich zu erzählen und dann vom Wohnungsproblem zu berichten. Er trinkt einen Schluck Kaffee und beginnt: „Ich bin am 8. 7. 1970 in Neu-Ulm geboren. Meine Mutter war ganz früher eine Näherin, Schneiderin, dann hat sie als Fleischverkäuferin gearbeitet, der Vater ist schon tot, er war Metzger in Neu-Ulm, angestellt, auch im Schlachthof. Ich bin in Ulm 9 Jahre zur Schule und danach in eine Lehre gegangen als Bäcker, die habe ich dann aber abbrechen müssen, hatte fast einen Blinddarm-Durchbruch. Dann habe ich Straßenbau gelernt, aber sechs Wochen vor der Gesellenprüfung abgebrochen, weil ich ein gutes Angebot von einer Sicherheitsfirma bekommen hatte, da wurde dann aber leider nichts draus.

Habe dann verschiedene Jobs gemacht, war bei der Bundesbahn, dann war ich Kommissionierer, bin zwischenzeitlich im Sicherheitsdienst gewesen und habe meine Bundeswehrzeit gemacht, bin mit 21 zum Bund. Da waren wir schon verheiratet und hatten unsere erste Tochter bekommen – heute haben wir vier Kinder und vier Enkelkinder. Geheiratet Oktober 1990, geschieden im Dezember 2012.“ Beide lachen und schauen sich liebevoll an.

„Jetzt funktioniert es besser, wie wenn wir verheiratet wären. So 98/99 in dem Dreh wurde ich dann arbeitslos und habe meine Feuerwehrausbildung angefangen, hatte schon vorher drei Monate Grundausbildung gemacht, mit Schutzlehrgang, Wachbereitschaft, und 96 bin ich dann in den aktiven Dienst übernommen worden. Da war ich von 96 bis 2003, hier in Wiblingen, dann haben die gesundheitlichen Probleme angefangen. Zwischenzeitlich war ich mal wieder im Sicherheitsdienst. Habe auch bei der Industrie- und Handelskammer meinen 34a-Schein gemacht“ (Sachkundeprüfung § 34a GewO, f. d. Sicherheitsgewerbe, Anm. G.G.). „Also das waren oft 12 Stunden Dienst, die man da manchmal hatte, und sehr gut bezahlt wird das auch nicht gerade. Da habe ich über ein Jahr gearbeitet, seitdem wieder arbeitslos und krankgeschrieben vom Arzt. Ohne Führerschein hat man keine Chance in diesem Bereich. Aber den kann ich ja gar nicht zahlen, schon gar nicht das Auto. So sieht es aus …

Mängel gemeldet

Und jetzt das Wohnungsproblem. Also das Haus hier hat Schimmel, ist alt, es ist nur aus Backstein, nicht isoliert, nur verputzt. Es ist feucht, man sieht es auch an den Flecken auf der Fassade. Wie wir eingezogen sind vor 6 ½ Jahren, waren hier sehr alte und undichte Fenster. Wir hatten das bemängelt.

Seit 5½ Jahren suchen wir eine neue Wohnung! Die hier haben wir bekommen von der Stadt, noch vom alten Bürgermeister, weil unsere unten im Sägefeldweg war unbewohnbar, da hatte das Haus auch ein Schimmelproblem, wie hier. Zuständig für dieses Haus hier ist die UWS, die Ulmer Wohnungs-und Siedlungs GmbH, das ist irgendwie so eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, die haben hier überall Häuser, Neubauten, alles.“ (Die UWS ist eine Tochtergesellschaft der Stadt. Anm. G.G.)

Frau Ströhm sagt: „Aber für uns haben sie nichts, angeblich. Wir sind immer nur vertröstet worden. Ich habe damals mit dem gesprochen, der heute Oberbürgermeister von Ulm ist, das war vor den Wahlen für den OB. Da war ein Stand in der Nähe vom Münster, Vorstellung des neuen Kandidaten. Da bin ich hin zu ihm, hab erzählt, Schimmel, UWS tut nichts, wir brauchen dringend eine neue Wohnung. Er hat gesagt: Na ja, ich kann Ihnen nichts versprechen, aber wenn ich gewählt werde, will ich mal sehen, was ich für Sie tun kann. Der wollte nur, dass ich schnell vom Stand verschwinde.“

Herr Ströhm fügt hinzu: „Aber einmal, vor zwei, drei Jahren, haben sie uns eine Wohnung angeboten in Wilfingen, die war genau so klein wie die hier, nur viel teurer und achtzehnhundert Kaution. Das hätte uns das Amt gar nicht bezahlt. Als wir hier eingezogen sind, haben wir ja auch die Kaution als Darlehen nehmen müssen. Es gab keine Tapeten an der Wand. Wir mussten selber tapezieren, haben Raufasertapeten gekauft. Wir brauchten auch neue Möbel, denn durch die Schimmelsporen konnten wir gar nichts mitnehmen hierher.“

Frau Ströhm ergänzt: „Das Darlehen zahlen wir jetzt noch ab jeden Monat. Ich glaub nicht, dass wir die wieder rauskriegen beim Auszug, die Kaution. Dabei brauchen wir ja schon wieder neue Möbel, denn wir wollen nicht die ganzen Sporen mitnehmen!“ Herr Ströhm ergreift wieder das Wort: „Anfangs waren wir ja froh über die Wohnung hier, aber nach einem halben Jahr fingen die Probleme an, es war die Firmung unserer ältesten Tochter, die haben wir mit Besuch draußen gefeiert, hinten im Garten und die Kinder haben halt so gespielt, sind auf ein Mäuerchen geklettert. Ein paar Tage später kam schon eine Ermahnung von der UWS. Da wussten wir, hier unten aus dem Haus hat einer angerufen dort und sich beschwert. Er hat alle Rechte von der UWS, meint, er wäre hier der Chef, darf das große Gartenstückchen alleine nutzen, dabei hat es zuerst geheißen beim Einzug, dass es auch für die Allgemeinheit ist.

„Wie ich die Jacken mal anziehen will, waren sie an der Wandseite voller Schimmel“

Das war der Anfang von jahrelangen Hausstreitigkeiten. Man hat behauptet, wir würden keine Miete zahlen, der Hund wäre aggressiv, unsere Jungs wären frech. Erst in der letzten Zeit hat sich das langsam gelegt. Man geht sich aus dem Weg. Man grüßt sich nicht.“ Frau Ströhm sagt: „Ich schon! Auch sein Sohn hat sich geändert.“ Herr Ströhm bestätigt das und sagt: „Auch mein jüngerer Sohn hat jetzt eigentlich ein gutes Verhältnis mit dem da unten. Kommt klar mit ihm. Und das andere Problem, das mit dem Schimmel, das hat auch nach einem halben Jahr angefangen. Wir hatten ja schon Erfahrung und haben es gleich gemerkt, in der Ecke im Schlafzimmer. Aha! Wir haben Schimmel! Genauso im Zimmer meiner beiden Jungs, in Küche und Bad. Ein Jahr haben wir herumgetan mit der UWS, dass wir neue Fenster bekommen. Gegen den Schimmel haben wir es versucht mit Überstreichen, Antischimmelmittel, aber er kam immer wieder durch.“ (Die große Anzahl der Präparate gegen Schimmelbefall in den Baumärkten spricht Bände über den Umfang des Problems. Anm. G.G.).

„Dann kamen neue Fenster, aber danach wurde es auch nicht besser, das geht seit Jahren! Keiner nimmt unsere Beschwerden ernst. Es heißt immer: Der Mieter ist selber schuld am Schimmel …“ Frau Ströhm sagt empört: „ Man hat gesagt, wir würden falsch heizen, nicht ordentlich lüften im Winter. Obwohl es nicht stimmt! Wir haben immer die Fenster aufgemacht und durchgelüftet. Sie sagen, ich hätte die Kältebrücke oder Wärmebrücke, oder was weiß ich, irgendwie unterbrochen.“

Allergie gegen Schimmel

Herr Ströhm fährt fort: „Aber die ganzen Mauern sind feucht. Das hat ja auch der Dr. Roth bestätigt, der da war, weil wir ihn um Hilfe gebeten haben. Auch wegen unserem Sohn, der als Allergiker mit dem Schimmel gesundheitliche Probleme hat.“ (Dr. Roth ist der Augenarzt der Familie, Initiator der Armenklinik und außergewöhnlich engagierter CDU- Stadtrat für Soziales). „Er hat Fotos gemacht von dem Schimmel und Proben abgenommen von der Wand, auch Proben von unserer Haut und Speichelproben, zur Untersuchung im Labor. Er hat auch Fotos gemacht vom Haus außen, und da sind ja deutlich große Wasser- und Schimmelflecken zu sehen. Und Dr. Roth hat gesagt: ‚Ein Haus, bei dem auf der Außenseite bereits Feuchtigkeit zu sehen ist, kann von innen, auch wenn Sie noch so viel heizen, nicht trocken und schimmelfrei gehalten werden.‘ Diese Aussage hat uns gutgetan, denn wir möchten uns nicht die Schuld zuschieben lassen!

Wir haben ja alles versucht. Haben gelüftet, die Möbel abgerückt von der Wand. Dann haben wir die Tapete abgezogen, wir sind mit der Schimmelfarbe drüber, aber es nutzt nichts. In den Schränken ist auch Schimmel, Kleidung ist kaputtgegangen, Jacken waren verschimmelt.“ Frau Ströhm sagt: „Ich hab mir Haken in die Wand gemacht, wollte meine anderen Jacken da aufhängen, damit sie im Schrank nicht schimmeln, wie ich die mal anziehen wollte, da waren sie an der Wandseite voller Schimmel und feucht wie ein Schwamm. Ich hab alles wegschmeißen müssen.“

Überall Risse

Herr Ströhm sagt: „Das Haus hat ja überall Risse. Von außen sieht man schon die großen Wasserflecke, wo die Feuchtigkeit reinzieht ins Haus. Und die UWS sagt einfach: Es gibt keine Risse. Sie wollen keine Verantwortung übernehmen und streiten alles ab. Unser ältester Sohn ist Allergiker, wir haben ein Gutachten vom Lungenarzt, dass er empfindlich reagiert auf den Schimmel. Aber das hat keinen interessiert. Vor zwei oder drei Jahren haben wir dann den Schimmelbefall durch den Anwalt bemängeln lassen. Es wurde der UWS ein Vierteljahr Zeit gegeben, den Schimmel und seine Ursachen zu beseitigen. Keine Reaktion!

Der Anwalt hat dann gesagt: Gut, die reagieren nicht, wir werden jetzt eine Mietminderung machen und das hat er getan. Seit 2 ½ Jahren haben wir jetzt eine 30%ige Mietminderung drin, 100 Euro zahlen wir weniger im Monat. Die Miete wird ja direkt vom Jobcenter an die UWS bezahlt, wie die das genau gemacht haben mit dem Abziehen, das wissen wir gar nicht. Irgendwann ist dann plötzlich eine Kündigung gekommen. Da war dann die erste Verhandlung beim Gericht und es wurde entschieden, ein Sachverständiger musste kommen. Wir haben schon Hoffnung gehabt. Der kam auch, den hat aber der Schimmel überhaupt nicht interessiert. Der wollte gar nichts sehen und hören davon, obwohl wir ihn immer wieder darauf angesprochen haben. Der wollte nur eins wissen: Ist es die Bauweise oder ist es der Mieter, was am Schimmel schuld ist.

Dann war eine zweite Verhandlung, da hat er gemeint, der Grund für den Schimmel ist, wir würden zu wenig heizen, weniger als die anderen Mieter. Und wir würden falsch heizen. Wenn man die Wände aufheizt, dann müsste man das Fenster komplett aufmachen und die Heizung komplett nach oben drehen, also praktisch für außen heizen. Solche Heizkosten werden vom Amt gar nicht übernommen, es werden nur normale Heizkosten übernommen und wir haben normal geheizt.“ (Das Jobcenter übernimmt nur die „angemessenen“ Heizkosten, als angemessen gilt ein Betrag von 1 Euro bis 1,80 Euro pro qm).

Schlafzimmerwand mit Schimmel Foto: Gabriele Goettle

„Es wurde kein Urteil gesprochen, nur wieder vertagt. Der Sachverständige hat gesagt, er kann hier die Messdinger erst aufstellen, wenn es null Grad hat. Dann kamen Schreiben, wir hätten Mietschulden, 2.400 Euro und noch was. Das kann ja nur das Einbehaltene sein? Und dieses Jahr im Mai kam dann die fristlose Kündigung. Wir sollten die Wohnung bis zum 1. Juni verlassen. Ja, wie sollen wir das machen? Wir haben ja keine Bleibe?! Aber weil es kein Urteil gibt, kann die fristlose Kündigung nicht vollstreckt werden … also die Zwangsräumung.

Wir haben am 20. November den nächsten Termin beim Gericht wegen dem Schimmel und der Räumungsklage. Da kommt es dann darauf an, ob wir auf der Straße sitzen oder doch noch da bleiben dürfen …“ Frau Ströhm sagt entschieden: „Nein! Ich will nicht hier bleiben. Ich will hier raus. Ich will endlich ohne Schimmel einschlafen und ohne Schimmel aufwachen. Ich hätte gern 4 Zimmer mit Balkon, mehr will ich nicht.“ Herr Ströhm sagt: „Wir sind wirklich am Ende unserer Kräfte, aber das interessiert die nicht von der UWS. Dabei wissen die genau, wie schlecht der Zustand von dem Haus ist. Bei den Nachbarn unten, wenn die Schimmel gehabt haben, da ist eine Firma gekommen zur Bekämpfung, dann war eine Weile Ruhe, dann kam der Schimmel wieder durch.

Aber der Sachverständige hat weder unser Schlafzimmer sehen wollen noch den Heizungskeller, noch die anderen Wohnungen im Haus. Nur auf dem Dachboden war er. Der ist ja auch ganz modrig. Bei unserem jüngsten Sohn hat er nur kurz mit einem Messgerät in die Wand gepikst, das war alles. Später hat er dann in seinem Gutachten gesagt, er hätte überall gemessen. Aber wir waren ja dabei und haben gesehen, was er macht. Wir haben ihn beim Rundgang noch so oft drauf hinweisen können, auf den Schimmel überall, das hat ihn nicht interessiert.

Wir verstehen das nicht! Wir haben uns dann in unserer Verzweiflung ans Rathaus gewandt, haben dem Oberbürgermeister geschrieben, dem neuen. Da wurden wir aber abgewiesen, es hieß: Sie haben eine Wohnung angeboten gekriegt und haben sie abgelehnt … Also das war die Wohnung, von der ich vorhin erzählt habe, die viel zu teuer war, wo wir hätten die hohe Kaution selber zahlen müssen. Aber die Politiker finden, hohe Mieten von zwölfhundert Euro und mehr sind nicht hoch, weil die so viel Geld verdienen und gar nicht wissen, wie andere leben müssen. Ein Rentner oder Hartz- IV-Empfänger kann sich eine teure Wohnung nicht leisten. Das Amt zahlt sie nicht.“ (Für zwei Personen gelten 60 Quadratmeter als angemessen. Für jede weitere Person sind 15 Quadratmeter zusätzlich einzurechnen. Die Kosten für Unterkunft u. Heizung, KdU, übernimmt das Jobcenter nur, wenn sie „angemessen“ sind. Damit ist immer der untere Wert des Durchschnitts der jeweiligen Wohngegend gemeint. Anm. G.G.)

Frau Ströhm schenkt Kaffee nach: „Wir haben hier für 4 Personen nur 73 Quadratmeter statt 90 Quadratmeter. Die monatliche Warmmiete ist 552 Euro, und in dem Preisbereich gibt es halt gar nix mehr. Die Kaltmieten gehen über 800 Euro rauf. Wir brauchen ja eine Wohnung für 4 Personen, denn unsere beiden Söhne dürfen nicht ausziehen, die sollen bis 25 bei uns wohnen.“ (Regelung für Hartz-IV-Empfänger: Für Unverheiratete vor Vollendung des 25. Lebensjahres werden beim Auszug aus der elterlichen Wohnung in der Regel die Kosten für Miete und Heizung vom Amt nicht übernommen. Anm. G.G.) „Aber mein Sohn muss hier raus! Er hat ein ärztliches Attest vom Lungenarzt wegen Allergie, auch gegen den Schimmel. Er nimmt Medikamente. Der Arzt hat damals gesagt, eigentlich muss mein Sohn sofort die Wohnung verlassen. Aber das interessiert keine UWS und niemand.“

Die Tür öffnet sich, einer der Söhne kommt herein, reicht mir unbefangen die Hand und setzt sich neben den Vater, dem er sehr ähnelt. Frau Ströhm stellt vor: „Das ist unser jüngerer Sohn Timo, er wird demnächst 18 Jahre alt. Unser Äältester Sohn Tim ist 22, der wird auch gleich kommen.“ Wenig später kommt er freundlich grüßend herein und nimmt neben seiner Mutter Platz auf dem Sofa. Beide hören zu und schweigen höflich. Nach einer Weile geht der jüngere Sohn hinaus und kommt kurz darauf mit einer unangebrochenen Flasche Mineralwasser und einem Glas zurück. Beides stellt er vor mich hin, „wenn Sie möchten“, und setzt sich wieder. Ich nutze die Gelegenheit und mache die verabredeten Familienfotos.

Ende der Gemütlichkeit

Frau Ströhm wirkt zufrieden und fragt: „Sie möchten ja bestimmt noch den Schimmel in unserem Schlafzimmer sehen oder fotografieren?“ Sie führt mich in den Raum daneben, das elterliche Schlafzimmer. Über dem Ehebett ist ein rosafarbenes Moskitonetz gehängt, aber hier ist jede Gemütlichkeit zu Ende. Alle Möbelstücke sind von der Wand weggerückt in die Mitte des Raumes. Die Tapete ist an den Schimmelstellen abgezogen. In der Zimmerecke ist ein großer dunkler Schimmel zu sehen, den ich fotografiere, auch am Fenster und an anderen Stellen zeigt sich deutlich Schimmel. „Die Wand da ist die Wetterseite, da hatte ich auch meine Jacken aufgehängt, die dann verschimmelt waren. Wir haben schon seit einiger Zeit das Problem, wenn wir hier diese schweren Unwetter haben, diesen Starkregen, wie es jetzt öfter so ist, dass wir das Wasser hier drin haben. Wenn der Regen da gegen die Außenwand prasselt, dann kommt Wasser durch unsere Zimmerwand und läuft richtig runter. Das haben wir alles mitgeteilt, aber man glaubt uns einfach nicht. Jetzt haben Sie es mit eigenen Augen gesehen, wie wir hier im Schimmel schlafen müssen.“

„Wir sind wirklich am Ende unserer Kräfte“

Wir gehen wieder hinüber ins Wohnzimmer. Herr Ströhm sagt: „Statt uns zu helfen, setzt man uns hier die Pistole auf die Brust, sie drohen uns mit Zwangsräumung, ohne uns eine Ersatzwohnung zu geben. Aber das ist denen in Ulm egal. Selbst der vom Ordnungsamt, wo meine Frau angerufen hat, der hat gesagt: Wenn Sie keine Wohnung haben, dann müssen Sie halt in ein Frauenhaus, Ihr ehemaliger Mann muss mit den Söhnen in ein Obdachlosenheim und der Hund kommt ins Tierheim.“ Frau Ströhm beugt sich unter den Tisch, streichelt die verschlafene, ahnungslose Hündin und sagt entschieden: „Das kommt überhaupt nicht infrage! Der Hund ist mir wichtig, der bleibt bei uns. Und bevor ich in ein Frauenhaus gehe, da schlafe ich lieber irgendwo in der Pampa.“ Herr Ströhm sagt bitter: „Ich frage mich, wo leben wir denn?!“

Frau Ströhm sagt sehr erregt: „Ja! Wir werden praktisch abgeschoben. Wie Ausländer! Ich halte nichts von Ausländern, aber ich fühle mich wie ein Ausländer in dem Sinn … Weil wir als Hartz-IV-Empfänger wie der letzte Dreck behandelt werden, von der Politik. Ich fühle mich im eigenen Land wie ein Ausländer. Abgelehnt, abgeschoben. Nicht wie eine Deutsche. Zu was bin ich denn dann noch deutsch? Für gar nichts!“ Herr Ströhm resümiert: „Als Hartz-IV-Empfänger bist du Abschaum, ganz einfach! Wirst sofort in die untere Etage geschoben. Bei der Wohnungssuche, wenn ich da sage, dass die Miete direkt vom Amt kommt, dann weiß ich schon die Antwort: Wohnung ist plötzlich weg, tut uns leid.“ Frau Ströhm sagt empört: „Aber die Ausländer, die ganzen Flüchtlinge, die kriegen Wohnungen, die eigenen Leute, die können verschimmeln.“

Herr Ströhm erklärt: „Hier in Wiblingen haben sie neue Häuser gebaut, hinten beim Aldi. Ich glaube, auch die UWS. Holzhäuser sind das eigentlich. Die sind ganz gut gebaut, gut isoliert. Da sind jetzt schon Asylbewerber drin. Irgendwie sollten die Häuser mal gemischt belegt werden, also Asylbewerber und Normale, aber da sind nur Asylbewerber drin für die nächsten fünf Jahre, dann sollen die eine andere Wohnung kriegen und in die Häuser sollen Studenten rein.“ Herr Ströhm wirkt ziemlich resigniert: „So ist das bei uns. Im Moment sehe ich keinen Ausweg. Wir fragen uns täglich, wo sollen wir hin? Irgendwo müssen wir ja schlafen können, wenigstens über den Winter. Wir haben meine Mutter schon gefragt, auch meine Schwester, aber da geht nichts. Deshalb haben wir auch unseren Augenarzt Dr. Roth um Hilfe gebeten. Er ist der Einzige, der was für uns tut und unser Problem ernst nimmt.

Hoffen wir nur, dass die Laborergebnisse der Schimmelproben bis zum Gerichtstermin da sind, damit unser Anwalt sie vorlegen kann. Damit wir beweisen können, dass der Schimmel gesundheitsschädlich ist, besonders für unseren ältesten Sohn, der zu wenig Abwehrkraft hat. Und dann wird ja geklärt werden, dass die Mietminderung korrekt war und wir nicht schuld sind am Schimmel. So sitzen wir auf heißen Kohlen und warten auf den Tag der Verhandlung.“

Nachtrag: Die Familie Ströhm ist bei der Verhandlung am 20. 11. nicht weitergekommen. Ihre Hoffnungen haben sich zerschlagen. Aus ihrem Bericht geht hervor, dass ihr Schimmel- und Wohnungsproblem kein Interesse oder nicht das erhoffte Interesse fand. Der Sachverständige trug endlos Zahlen vor, Berechnungen der Betriebskosten und der Heizleistung usf. Da es Unstimmigkeiten gab zwischen ihrem Anwalt und dem Sachverständigen bezüglich der Berechnung, wurde um drei Wochen vertagt. Bis dahin sollen nachvollziehbare Zahlen vorliegen. Mehr nicht.