das portrait
: Raubkunstforscherin Bénédicte Savoy – anerkannt und ausgezeichnet

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„Es geht um nichts Geringeres als Geschichte und Kultur der Welt in ihrer Ganzheitlichkeit.“ Das Humboldt Forum trägt dick auf, wenn es über das „Universalmuseum“ spricht, das voraussichtlich ab 2019 in dem wieder aufgebauten Berliner Stadtschloss beheimatet sein wird. Als „Rückgrat“ der Ausstellung sollen dort die „außereuropäischen“ Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst zu sehen sein: archäologische Fund- und Sammlerstücke aus Afrika, Amerika, Asien, Australien und der Südsee. Was die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sein eigen nennt, ist für Bénédicte Savoy zum Teil Raubkunst – oder kann zumindest dafür gehalten werden.

Die Kunsthistorikerin gehörte zwei Jahre lang dem Expertenbeirat des Humboldt Forums an. Doch über die Frage, wie die Museen in den Besitz ihrer Exponate gekommen sind, wollte in diesem Gremium außer ihr niemand ernsthaft sprechen. Aus Frust trat die heute 45-Jährige, die ihre Promotion der napoleonischen Raubkunst gewidmet hatte und seit 2003 als Professorin für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin zum Umgang mit Kunstwerken in Kriegszeiten sowie deren Rückgabe forscht, im Sommer dieses Jahres aus dem Beirat zurück.

Ihrem Unmut machte sie öffentlich Luft: „Dass an Museumswänden nichts darüber steht, woher die Werke kommen, geht nicht mehr“, sagte Savoy kurz danach in der Süddeutschen Zeitung. Dem Umgang mit der Herkunft der Kunstwerke verglich sie dabei mit „Tschernobyl“, weil am Humboldt Forum „300 Jahre Sammeltätigkeit, mit all den Schweinereien und Hoffnungen“ wie „Atommüll“ unter einer Bleidecke begraben würde. Allein der Name der Museumsherrin Stiftung Preußischer Kulturbesitz sei schon falsch: „Kultur ist nicht Besitz von Preußen.“

Das saß. Mit ihrer harschen Kritik hat Bénédicte Savoy die Debatte über Provenienz als notwendiges Forschungsgebiet an Museen – und Hochschulen – neu angestoßen. Die wenigen Lehrstühle, die wie an der LMU München oder der Universität Bonn zur Geschichte und Herkunft von Sammlungen forschen, haben dabei vor allem die NS-Zeit im Blick.

Bénédicte Savoy, die in Paris geboren ist und 2016 aufgrund ihrer Arbeit zur deutsch-französischen Kulturbeziehung ans berühmte Collège de France berufen wurde, ist eine der wenigen WissenschaftlerInnen, die sich mit Kunstraub als Teil der europäischen Kulturgeschichte befasst. Ihre Antrittsvorlesung in Paris im März hielt sie zur „Kulturgeschichte des Kunsterbes in Europa im 18. bis 20. Jahrhundert“.

Anfang Dezember wird Savoy mit dem Kythera-Preis ausgezeichnet, wie die TU Berlin am Montag bekannt gab. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis ehrt Persönlichkeiten, die sich um die Vermittlung insbesondere der romanischen Kultur verdient machen. Anfang November ist Savoy bereits in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung aufgenommen worden. Ob diese Auszeichnungen mit ihrer klaren Haltung im Humboldt-Kuratorium zu tun haben, weiß Savoy nicht. „Aber mich freut es, dass meine Haltung anerkannt wird“, sagt Savoy der taz. Für ihre Kritik an der fehlenden Transparenz beim Humboldt-Forum hat Savoy viel Zuspruch erhalten.

Möglich, dass Bénédicte Savoy an der TU bald Unterstützung in ihrem Lieblingsforschungsfeld Provenienz bekommt. TU-Präsident Christian Thomsen jedenfalls hat bereits sein Interesse an dem Forschungsfeld bekundet. Ralf Pauli