Werder traut sich was

Bremen setzt sich mit 1:0 gegen den VfB Stuttgart durch, obwohl die Angst vor einer Niederlage groß war

Von Ralf Lorenzen

Vor seinem vierten Spiel als Cheftrainer des Bundesligisten SV Werder Bremen hat Florian Kohfeldt versucht, den Druck von der Mannschaft zu nehmen. Es gebe noch sehr viele Spiele, um die Abstiegsplätze zu verlassen, betonte er. Der 35-Jährige wollte unbedingt vermeiden, dass sich bei den Bremern bereits nach einem Drittel der Saison alles nach purem Abstiegskampf anfühlt. „Wir dürfen die langfristige Entwicklung nicht vergessen“, sagte er und lehnte es ab, rein ergebnisorientiert zu denken, wie es seinem Vorgänger Alexander Nouri zuletzt vorgeworfen worden war.

Eine Niederlage gegen den VfB Stuttgart hätte allerdings vor den anstehenden schweren Auswärtsspielen in Dortmund und Leverkusen eine Hypothek von sechs Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz bedeutet. Umso erstaunlicher war es, wie stabil das Kohfeldt-Team am Samstag durch die hart umkämpfte Partie kam und 1:0 gewann. Auch wenn das Spiel mit dem Ball längst nicht so ins Laufen kam wie beim 4:0 im letzten Heimspiel gegen Hannover 96, waren die Aktionen nicht von Angst geprägt, sondern vom Glauben an die eigene Stärke.

Dass die Bremer trotzdem nur selten gefährlich vor das Stuttgarter Tor kamen, lag vor allem an der aggressiven Spielweise des Gegners, der zudem oft mit Manndeckung operierte. Da beide Teams das Mittelfeld verdichteten, entwickelte sich eine Partie mit vielen Zweikämpfen und Szenen auf engem Raum, aber wenig Torchancen. „Unser Positionsspiel war heute nicht so stark“, sagte Kohfeldt. „Weil oft viele Spieler in Ballnähe helfen wollten, stand dann oft keiner da, wo er sein sollte.“ Der Fluch der guten Tat.

Seit Kohfeldts Arbeitsantritt dominiert ein Begriff den Bremer Fußballdiskurs. Gebrauchte Nouri oft das Wort „Spirit“, um seine Herangehensweise zu beschreiben, sprechen Kohfeldt und seine Spieler von Lösungen. „Er gibt uns Lösungen an die Hand“, ist ein in den letzten Wochen oft gehörter Satz der Spieler. Nouri hatte aus einem unförmigen Kader eine kampfstarke Einheit gebildet, schaffte es aber nicht, der Mannschaft einen langfristig funktionierende Plan zu vermitteln. Kohfeldt schafft es nun offenkundig, das Team spielerisch so weiterzuentwickeln, dass sie auch unter Druck Lösungen findet. Ein Trainer, der zehn Minuten vor Schluss beim Stand von 1:0 auf eine Fünferkette mit zusätzlichem Innenverteidiger umstellt, vertraut der spielerischen Reife seiner Mannschaft.

„Man muss sehen, welche Spielertypen wir haben“, hatte Kohfeldt bei seinem Amtsantritt gesagt. Und bildete aus Thomas Delenay, Philipp Bargfrede und Maximilian Eggestein, die unter Nouri um die Plätze im defensiven Mittelfeld konkurrierten, eine Antriebszentrale, die mit ihrer Dynamik jetzt die lange vermisste Balance zwischen Defensive und Offensive herstellt. Davor genießt die Kreativ-Abteilung mit Zlatko Junozovic, Max Kruse und Fin Bartels alle Freiheiten, die Kruse am Samstag dann auch für das Tor des Tages nutzte.