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: EU verklagt Ungarn, Polen und Tschechien

Weil sich die drei Länder beharrlich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, tritt nun
der äußerst seltene Fall einer Klage ein. Wenn sie erfolgreich ist, drohen hohe Strafen

Das Neue

Die EU-Kommission zerrt Polen, Ungarn und Tschechien wegen der Flüchtlingspolitik vor das höchste EU-Gericht, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH). Die Länder machten keine Anstalten, einen Beschluss zur Umverteilung von Flüchtlingen vom September 2015 umzusetzen, begründete die Brüsseler Behörde ihre Klage.

„Das kann für diese drei Mitgliedstaaten keine Überraschung sein“, sagte Vizekommissionschef Frans Timmermans. Die EU-Behörde hatte Warschau, Budapest und Prag bereits mehrfach verwarnt und im Sommer ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, das jetzt in der Klage mündete.

Vertragsverletzungsverfahren sind in der EU keine Seltenheit. Allerdings werden die allermeisten noch vor dem Gang zum EuGH beigelegt. Dass es zum Äußersten – also einer Klage – kommt, ist selten.

Der Kontext

Der Streit war schon einmal vor dem EuGH. Im September wies das EU-Gericht eine Klage Ungarns und der Slowakei gegen den Beschluss von 2015 zurück. Die beiden Länder hatten argumentiert, dass die Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Ungarn weder geeignet noch nötig sei. Die Richter sahen das anders. Bei der umstrittenen Entscheidung der Innenminister sei es um eine akute Notlage gegangen, entschied der EuGH.

Trotz der Niederlage weigerte sich Ungarn, seine Politik zu ändern. Regierungschef Viktor Orbán forderte sogar 400 Millionen Euro von der EU – für den Bau einer Mauer zur Abwehr von Flüchtlingen.

Die Reaktionen

Ziemlich mau. Zwar begrüßten die Grünen im Europaparlament die Klage. Sie sei überfällig, sagte Frak­tionschefin Ska Keller. Die EU-Staaten hätten sich dazu verpflichtet, Griechenland und Italien Flüchtlinge abzunehmen. „Dazu müssen sie stehen. In Griechenland harren Schutzsuchende unter miserablen Bedingungen aus. Das darf kein Dauerzustand sein.“

Doch die betroffenen Regierungen mauern weiter. Er wolle die EU-Kommission überzeugen, ihre Klage gegen sein Land zurückzuziehen, sagte der neue tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš. Das Timing der Klage kurz vor dem EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember sei „höchst unglücklich“, so der populistische Milliardär. Er hoffe, die anderen Staats- und Regierungschefs bei seinem ersten Besuch in Brüssel umstimmen zu können.

Die Konsequenz

Die Fronten sind nun völlig verhärtet. Und die Rechtslage ist unklar. Denn der umstrittene EU-Beschluss von 2015 war auf zwei Jahre befristet; offiziell lief die Umverteilung von Flüchtlingen im September aus. Die EU-Kommission argumentiert zwar, die Pflicht zur Solidarität bestehe fort. Doch ob die Richter dieser Argumentation folgen, bleibt abzuwarten.

Bis zu einer Entscheidung könnten noch viele Monate vergehen. Falls wider Erwarten die Länder sich doch noch einigen, kann die Klage zurückgenommen werden. Andernfalls drohen massive Strafzahlungen. Eric Bonse