Tierparkim Umbau

Die Schlangenfarm ist zu, das Alfred-Brehm-Haus fast leer. Im Frühjahr sollen die Baumaßnahmen für den Geo-Zoo beginnen. Ein Rundgang

„Stinkt wie Alfred-Brehm-Haus“, sagte der Volksmund zu DDR-Zeiten, wenn es in einer Toilette oder in einem Zimmer streng roch. Heute riecht es hier nicht mehr so

Von Plutonia Plarre (Text) und Christian Thiel(Fotos)

Ein beißender Geruch erfüllt die Luft. „Stinkt wie Alfred-Brehm-Haus“, stellt der Fotograf fest und lacht. In seiner Kindheit, zu DDR-Zeiten, sei das ein geflügeltes Wort gewesen. Wenn es in einer Toilette oder in einem Zimmer streng roch, habe es stets geheißen: „Stinkt wie Alfred-Brehm-Haus“.

Der Fotograf ist Teil der Besuchergruppe, die an diesem Donnerstag von Zoodirektor Andreas Knieriem durch das Raubtierhaus, benannt nach dem Zoologen Alfred Brehm, geführt wird. Früher habe es aber strenger gerochen, sagt der Fotograf später. Der Zoodirektor nickt. „Hier gab es ja auch richtige Überbelegung.“ Jaguare, Leoparden, Löwen und Tiger hätten auf engstem Raum gelebt. Innen- und Außengehege seien gleichzeitig belegt gewesen. Man habe die Tiere einzeln umschließen müssen, damit alle mal an die frische Luft kamen.

Katzen markieren ihr Revier mit Urin. Der hat sich im Holz festgesetzt. Inzwischen ist das Haus so gut wie leer. Knieriem hat dafür gesorgt. Die ehemaligen Bewohner sind in Zoos in aller Welt verschubt worden. Das Jaguar-Pärchen etwa ist nach Chile gekommen, eine Löwin nach Frankreich. Einen Geo-Zoo will Knieriem aus dem Tierpark machen. Das Alfred-Brehm-Haus wird zu einem südostasiatischen Tropenhaus umgebaut. Danach wird das Dickhäuterhaus saniert. Im Park dahinter soll eine Savannenlandschaft entstehen, auf der Elefanten, Giraffen und Antilopen zusammen weiden. Der Berg im Tierpark soll mit entsprechender Flora und Fauna in ein Himalaja-Gebirge umgestaltet werden.

Die Idee vom Geo-Zoo im Tierpark ist nicht neu. Schon der Gründungsvater und erste Direktor, Heinrich Dathe, hatte den Plan. In der 50er Jahren zu DDR-Zeiten war der Tierpark mit Hilfe der Bevölkerung aufgebaut worden. Dathe war es auch, der die Eckdaten des 160-Hektar-Areals festgelegt hatte. „Dathe hatte Visionen“, sagt Jürgen Lange, der früher auch mal Leiter vom Zoologischen Garten und Tierpark war.

Über den Tierpark gibt es viele Geschichten. Die von Lange geht so: Es müsse Anfang der 60er Jahre gewesen sein, als er mit Dathe in einem Auto mit Allradantrieb auf den Riesenschuttberg im Tierpark gefahren sei. Jenen Berg, aus dem Knieriem nun den Himalaja machen will. Auf dem Gipfel stehend habe Dathe nach unten gezeigt und gesagt: „Und dann schaue ich auf die Steppe und sehe Zebras und Giraffen“, erinnert sich Lange. „Ich selbst habe da unten nur eine Schlammwüste gesehen.“

40 Millionen Euro hat Knieriem für das Projekt Geo-Zoo zusammengetragen – weitestgehend sind das öffentliche Mittel. Im März 2018 sollen die Bauarbeiten beginnen.

Der Tierpark Friedrichsfelde wurde 1955 im Bezirk Lichtenberg eröffnet. Mit 160 Hektar ist er der größte Landschaftstiergarten Europas. Die Bewohner: 9.018 Tiere aus 790 Arten (Stand Ende 2016). Zum Vergleich 2013: 7.250 Tiere aus 846 Arten. Besucherzahlen: 1.318.122 (2016), 1.035.899 (2013).

Die Direktoren Heinrich Dathe war 34 Jahre lang bis zum 10. Dezember 1990 im Amt. Bernhard Blaszkiewitz übernahm 1992 die Leitung. Gesamtchef von Zoo und Tierpark war zu dieser Zeit der Direktor des Aquariums, Jürgen Lange. Von 2007 bis 2014 war dann Blaszkiewitz Gesamtchef. Ihm folgte Andreas Knieriem, vorher Zoochef in München-Hellabrunn. (plu)

Als Erstes ist das Alfred-Brehm-Haus dran. 1963 gebaut, steht das alte Raubtierhaus unter Denkmalschutz. „Ein Dokument der Zeitgeschichte“ nennt es Knieriem. Das zweiflügelige Gebäude mit einem begehbaren Tropenhaus im Zentrum hat die Form einer liegenden Sphinx. Staunend steht man im Eingangsbereich vor einer riesigen Felsenhalle, in der sich ein einsamer sibirischer Tiger lümmelt. Ein überdimensionierter Wassergraben trennt das Gehege von einer riesigen Besucherplattform. Erzählt wird, dass sich hier früher Massen von Menschen drängten, die busweise aus allen Teilen der DDR angereist waren.

Gerade indes ist kaum jemand im Haus. Eine Treppe führt zu den Gehegen mit den Gitterstäben. Die Kacheln an den Wänden sind ocker-, orange- und türkisfarben. Davor stehen Vitrinen. Kacheln, Decke, Gitter, Fensterschalen und Vitrinen – alles bleibt aus Denkmalschutzgründen erhalten. Er hätte gern mehr gemacht, aber bei so einer alten Gebäudegeschichte müsse man Kompromisse machen, sagt Knieriem. „Aber alles wird grüner und frischer.“

Das Missverhältnis – gemeint ist die kleine Fläche für Tiere und die große für Besucher – werde aber korrigiert. Im Klartext: Der Wassergraben kommt zugunsten einer hohen Glasscheibe weg. Für die Tiere heißt das mehr Raum. Und: Die Gehege werden zusammengelegt. In die Vitrinen, in denen jetzt noch Vögel leben, kommen Frösche, Lurche und Schlangen. Die alte Schlangenfarm ist bereits seit Ende September geschlossen. Schon nach der Wende war dies versucht worden, doch hatte es damals einen Sturm der Entrüstung gegeben. „Ein Energiegrab“ nennt Knieriem das Haus; die Wände bröckelten, Feuchtigkeitsaustritt habe zu Schimmelbildung geführt.

Nicht nur wegen der Bauarbeiten ist die Zahl der Tiere reduziert worden. Die Gehegegrößen entsprechen nicht mehr den Haltungsvorschriften. „Mehr Platz für die Tiere bedeutet weniger Tiere“, erklärt Knieriem. Auch Beschäftigung gehöre zu artgerechter Haltung. Bälle, Taue und Baumstämme seien die ersten Dinge gewesen, die er eingeführt habe.

Thomas Ziolko, Vorsitzender des Fördervereins von Zoo und Tierpark, ist zufrieden. „Wir wollten Veränderungen, Knieriem packt die Dinge an.“ Die Bundesabgeordnete der Linken, Gesine Lötzsch, Beiratsmitglied im Förderverein, bestätigt: Der Tierpark habe wieder an Attraktivität gewonnen. „Aber er bleibt eine Riesen­herausforderung“. Lötzsch hat ihren Wahlkreis in Lichtenberg. Seit sie klein ist, geht sie in den Tierpark. Sie habe ein Jahresticket, erzählt sie.

Baubeginn sollte eigentlich schon 2017 sein. Aber dann gab es Probleme beim Abwassersystem, Brandschutz, der Arbeitssicherheit, zählt Knieriem auf. Bei den bauvorbereitenden Maßnahmen in den Außenanlagen des Alfred-Brehm-Hauses seien Starkstromkabel gefunden worden, die in keinem Plan eingezeichnet waren. „Besser wir holen sie raus als später die Malaienbären“, witzelt Knieriems Bauleiter.

„Knieriem packt die Dinge an“

Thomas Ziolko, Vorsitzender des Zoo- und Tierpark-Fördervereins

Auch der Zoodirektor ist gut aufgelegt. Als es später weiter ins Dickhäuterhaus, zu den Affen und dann in die geschlossene Schlangenfarm geht, schwärmt er vom Naturgefühl im Tierpark. Er fragt sich, ob Heinrich Dathe seinerzeit wohl geahnt habe, was diese unglaubliche Fläche, auf der er den Tierpark anlegte, für weitere Generationen bedeuten würde. Dass man anders als im Zoo hier keinen Verkehrslärm höre und seine Ruhe finde.

Spricht man Knieriem aber auf seinen unmittelbaren Vorgänger Bernhard Blaszkiewitz an, wird er schmallippig. Beim Amtsantritt hatte es keine Übergabe gegeben, nichts. Das Einzige, was ihm Blaszkiewitz hinterließ, so empfindet Knieriem das, war eine riesige im Tierpark abgekippte illegale Abfalldeponie. Der Schutt wurde erst abgefahren, als er gegen die Baufirma prozessiert hatte.

Es wird dunkel, die Besuchergruppe bewegt sich in Richtung Ausgang. In einem hinter Büschen versteckten Häuschen brennt noch Licht. Da sei jetzt die Zooschule drin, erklärt die Pressesprecherin. Bis 2014 hatte dort Blaszkiewitz gewohnt. Auch er war ein Verehrer von Heinrich Dathe. Für den und seine Familie war das Häuschen in den 50er Jahren mal gebaut worden. Am 10. Dezember 1990, also wenige Tage nach der Wende, wurde Dathe zwangspensioniert. Drei Wochen wurden dem 80-Jährigen gegeben, um auszuziehen. Am 6. Januar 1991 starb Dathe. Auch diese Geschichte gehört zum Tierpark unbedingt dazu.