Gegen die Opferkonkurrenz

Die Initiative für ein Polen-Denkmal stößt bei einer Diskussion in der Topographie des Terrors auf Skepsis

Von Klaus Hillenbrand

Florian Mausbauch fühlte sich missverstanden. Der Initiator eines Aufrufs an den Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit „für ein Polen-Denkmal in der Mitte Berlins“ verbat sich die Unterstellung, ihn trieben „völkische Motive“, wenn es darum gehe, auch den Nazi-Opfern unter den Polen ein würdiges Gedenken zu ermöglichen. Der Holocaust-Historiker Stephan Lehnstaedt hatte in einem taz-Gastkommentar daran erinnert, dass es für 3 Millionen der etwa 6 Millionen polnischen Opfer der Nazibesatzung längst eine Gedenkstätte gibt: das Holocaust-Mahnmal in Berlin, das auch an die ermordeten polnischen Juden erinnert.

Bei der vom Polnischen Institut Berlin initiierten Diskussion in der Topographie des Terrors am Donnerstagabend bestand Konsens, dass nicht nur die jüdischen Polen furchtbar unter den Naziregime zu leiden hatten. Auch darüber, dass das zu DDR-Zeiten errichtete Denkmal in Berlin-Friedrichshain als Gedenkort ungeeignet ist, bestand rasch Einigkeit.

Der Konflikt zwischen Florian Mausbach und Uwe Neumärker, dem Direktor der Stiftung für die ermordeten Juden Europas, entzündete sich vielmehr daran, ob eine nationale Gedenkstätte am ehemaligen Anhalter Bahnhof der richtige Weg sei, um die Verbrechen dem Vergessen zu entreißen. „Polen ist ein so besonderer Fall, dass dies gewürdigt werden muss“, sagte Mausbach dazu.

Doch mit ähnlichem Recht könnten dann auch Weißrussen, Russen, Ukrainer, Serben, Griechen und viele weitere Nationen, die von den Nazis okkupiert worden waren, eine eigene Gedenkstätte verlangen, lautete die Gegenargumentation. Man dürfe das Leid in der Sowjetunion nicht ausblenden und beim Gedenken gehe es auch nicht um absolute Zahlen von Ermordeten, sagte Neumärker. Alle bisherigen Denkmäler in Berlin seien Opfergruppen gewidmet, den Juden, Sinti und Roma, den Behinderten, nicht aber Nationen.

Keine Fragmentierung

Eine Fragmentierung des Gedenkens, eine Opferkonkurrenz gar wäre das Letzte, was zum Erinnern hilfreich wäre. Es existieren unschöne Beispiele dafür. In Kiew an der Schlucht von Babi Jar, wo die Nazis mehr als 30.000 Juden erschossen, gibt es heute mehr als ein Dutzend Denkmäler, für jede Opfergruppe eines, ob Juden, Roma, sowjetische Soldaten, ultranationalistische, auch antisemitische Ukrainer oder verfolgte Kirchenvertreter. Das Ergebnis kann die Huldigung der eigenen Opfer bei Negation der fremden sein.

Markus Meckel, der letzte DDR-Außenminister, hat den Aufruf nicht unterschrieben. Er sei dagegen, dass die Opfer des Nationalsozialismus getrennt geehrt werden, sagte er am Donnerstag. Und er machte eine Vorschlag: „Lasst uns am Ort des bestehenden Denkmals in Friedrichshain ein neues Denkmal bauen, aber nicht für die polnischen Opfer, sondern für die vielen Polen, die einen großen Anteil an der deutschen Freiheits- und Demokratiegeschichte hatten.“