Langsam kommt was in Schwung

Noch sind viele G20-Prozesse offen

Von Kai von Appen

Fast fünf Monate nach dem G20-Desaster in Hamburg ist in die Prozesse gegen vermeintliche G20-GegnerInnen in der vergangenen Woche Bewegung gekommen. Der 18-jährige Fabio V. aus dem norditalienischen Belluno ist am Montag aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Obwohl dem Jugendlichen keine konkrete Straftat zur Last gelegt wird, hatte die Anklagebehörde in allen Instanzen gegen eine Haftverschonung Beschwerde eingelegt – als ob es sich bei Fabio V. um einen Kämpfer der italienischen revolutionären Roten Brigaden gehandelt habe.

Als rechtswidrig hat das Hamburger Amtsgericht auch den Vorgang gewertet, dem Klimaexperten von Greenpeace, Karsten Smid, die Akkreditierung zum G20-Pressezentrum in den Messehallen kurzfristig zu entziehen. Die Behörde begründete die Maßnahme später damit, es habe einen Übermittlungsfehler durch das Bundeskriminalamt vorgelegen. Das sei egal, sonst würden „Informationsversäumnisse innerhalb einer Behörde, wie sie hier offenbar vorlagen, zur Rechtmäßigkeit von an sich rechtswidrigen Ermittlungsmaßnahmen führen. Das wäre ein geradezu widersinniges Ergebnis“, erklärte das Gericht.

Auch in dem Verfahren gegen den 21-jährigen Russen Konstantin P. steht die Anklage auf tönernen Füßen. Ihm wird ein Flaschenwurf am Abend des 7. Juli im Schanzenviertel vorgeworfen. Doch die angeblichen Polizeizeugen machen aufgrund einer eingeschränkten Aussagegenehmigung kein gutes Bild.

In Untersuchungshaft befindet sich weiterhin der 27-Jährige Nico.B., dessen Prozess am Mittwoch begonnen hat. Ihm wird zur Last gelegt, am Abend des 6. Juli die Hubschrauber-Besatzung des Polizeihelikopters „Libelle 2“ mit einem Laserpointer geblendet zu haben. Der Kameramann von „Libelle 2“, der Nico B. als Täter bei einer polizeilichen Vernehmung identifiziert haben soll, verfügt über keine Aussagegenehmigung. Auch auf mehrfache Nachfrage bleibt der Beamte bei dieser Aussage, obwohl ein Vernehmungsprotokoll existiert. Der Prozess kann also noch spannend werden.

Insgesamt befinden sich noch 7 Personen, die rund um den G20-Gipfel verhaftet wurden, in Untersuchungshaft, von ursprünglich 51, so Gerichtssprecher Kai Wantzen zur taz. „Von den fraglichen 51 Personen wurden bislang 22 verurteilt, davon 6 Angeklagte zu Freiheitsstrafen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurden. In den übrigen Fällen wurden Bewährungsstrafen zwischen 6 und 21 Monaten verhängt.“

Von der Hamburger Polizei auch aus der Haft, vielmehr der Geiselhaft, entlassen worden ist der historische Linke-Szene-Wasserwerfer mit dem Aachener Kennzeichen „AC-AB“ („All Cops are Bastards“). Der Oldie war vor dem G20-Gipfel in der Umgebung des Wohnsitzes von Innensenator Andy Grote (SPD) in St. Pauli beschlagnahmt worden.