„Frauen dürfen nicht schweigen“

Seit 20 Jahren ist die Syrerin Huda der Gewalt ihres Mannes ausgesetzt. Erst in Deutschland hat sie es geschafft, ihn zu verlassen. Ihre Kinder hat sie deshalb verloren

„Einmal hat er mich in Berlin auf der Straße geschlagen. Anders als in Syrien haben Leute die Polizei gerufen“

Protokoll Mohamad Naanaa

Mein Mann hat mir alles genommen. Wir kommen aus Syrien, zwei meiner Töchter sind noch dort, zwei meiner Söhne sind schon länger in Deutschland. Vor einem Jahr kamen mein Mann, ich und unsere vier restlichen Kinder auch hierher.

Vor über 20 Jahren haben wir geheiratet, wir haben uns nie gut verstanden. Er hatte viele Beziehungen zu anderen Frauen. Er hat mich schon immer schlecht behandelt und mich oft geschlagen, im Haus, auf der Straße. Einmal, als wir noch in Syrien waren, suchte ich Schutz bei meiner Familie. Sie sagten, ich könne bei ihnen bleiben, dann würde ich aber meine Kinder nie wieder sehen. Und auch meine Kinder sagten immer: „Mama, du hast Recht, es ist schlimm, aber du musst das durchhalten.“

Ich dachte, es würde besser werden in Deutschland. Ich habe meinem Mann auch mal gesagt, dass ich mir hier eine Wohnung suchen werde mit den kleinen Kindern. Er wollte das nicht, er mochte es nicht, dass Frauen hier mehr Rechte und Freiheiten haben. Er wollte von Anfang an zurück nach Syrien. Er hat mir ständig Dinge verboten. Ich durfte nicht allein raus, nicht zum Jobcenter. Er meldete sich im selben Sprachkurs an, damit ich nicht alleine hingehe. Er verbot mir, dort zu sprechen, ich durfte keine Fragen beantworten, mit niemandem reden.

Einmal hat er mich in Berlin auf offener Straße geschlagen. Anders als in Syrien haben andere Leute das gesehen und die Polizei gerufen. Die wollte meinen Mann festnehmen, aber ich habe das nicht akzeptiert und gesagt, er hat nichts gemacht. Ich hatte Angst, dass meine Kinder mir Vorwürfe machen, dass sie sich schämen.

Meine Mutter lebt in Jordanien, sie ist krank geworden und ich wollte sie besuchen. Ich habe auch ein Visum bekommen. Aber ein paar Tage vor meiner Abreise habe ich gehört, wie mein Mann einem Freund erzählte, dass er mit den Kindern nach Syrien fliegen will, sobald ich weg bin.

Deshalb wollte ich nicht fliegen. Ich sagte ihm das am Tag meiner Abreise, er hat mich gewürgt und mir gesagt, dass er mich umbringen wird, wenn ich nicht fliege. Ein Freund meines Mannes ist mit zum Flughafen gefahren, er sollte wohl aufpassen, dass ich wirklich abreise. Ich habe dort einen Mitarbeiter angesprochen, ihm alles erzählt. Er hat die Polizei gerufen. Sie haben mich in ein Frauenhaus gebracht. Und sie haben meine Kinder aufgesucht im Flüchtlingsheim. Sie haben gesagt, dass sie bei ihrem Vater bleiben wollen. Ich habe das nicht verstanden. Wahrscheinlich haben sie genauso viel Angst vor ihm wie ich damals.

Nach zwei Tagen war die Polizei wieder im Heim, da waren mein Mann und meine Kinder weg. Obwohl die Polizei mir sagte, dass mein Mann ein Ausreiseverbot hat, ist er zusammen mit den vier kleinen Kindern zurück nach Syrien. Vielleicht ist er von einem anderen Land aus geflogen. Ich verstehe nicht, wie man seine Kindern wieder in den Krieg bringen kann.

Meine Mutter ist vor einem Monat gestorben. Ich bin so traurig, so hoffnungslos. Meine Kinder sind nicht mehr da und meine Mutter habe ich auch nicht mehr gesehen. Ich habe alles verloren.

Trotzdem bedauere ich es nicht, dass ich meinen Mann verlassen habe. Ich kann nur allen Frauen, die Gewalt von ihren Männern erfahren haben, raten zu kämpfen – nicht zu schweigen.

Huda ist 40. Sie heißt eigentlich anders. Seit drei Monaten lebt sie in einem Frauenhaus in Berlin