Peter Weissenburger
Eierlikör
: Josef von N. und die heilige Regenbogenfamilie

Für uns Chorknaben waren Predigten ein Pflichtteil, den man durchstand. Der Rest der katholischen Messe war voller Weihrauch, Geläut und Kerzenzauber – selbst nach Jahren wurde das nicht langweilig. Während der monotonen Predigten hingegen saßen wir heiliggeistesabwesend hinterm Altar und kauten an unseren Polyestergewändern.

Bis eines Weihnachtstages ein Priester auf die Idee kam, seine Predigt über den heiligen Josef als betrogenen Gatten zu halten.

Zwei Jahrzehnte später erinnert sich mein mittlerweile atheistisches (aber weiterhin jeder Form von Magie zugeneigtes) Erwachsenen-Ich immer noch daran. Nicht an die Einzelheiten, aber einen Eindruck hat die Predigt hinterlassen: Maria, die selbstbestimmte Frau, die Sex mit einem Engel hat – und Josef, der das ganz polyamor in Ordnung findet. Nanu, ausnahmsweise mal eine vorbildhafte Männer­figur in der christlichen Tradition?

Zur Erinnerung: Die übrigen biblischen Männer sind bereit, ihre Söhne zu opfern (Abraham) und ihre Töchter Fremden zum Vergewaltigen zu überlassen (Lot). Sie meucheln Babys (Herodes) und sie verkaufen ihre Freunde für Geld (Judas). Oder sie sind einfach opportunistische Volltrottel, die trotzdem später Führungspositionen einnehmen (Petrus). Klar, Jesus war in Ordnung, aber er war schon auch ein Mansplainer.

Dieser Josef scheint dagegen dufte. Er hat in der Bibel kaum Text und verschwindet nach der Weihnachtsgeschichte bald komplett aus der Story. Ich stell ihn mir also als sanft und zurückhaltend vor. Aber als es drauf ankam, war er da. Und das, obwohl der Zimmermann aus Nazareth sich tierisch hätte echauffieren können, dass seine Verlobte auf einmal schwanger ist, ohne dass er sie, ähm, nun, „erkannt“ hat. Stattdessen schleppt er sich mit ihr zusammen nach Bethlehem, macht unter unhygienischsten Bedingungen den Geburtshelfer und flieht dann auch noch mit Frau und Kind vor einem babymordenden König nach Ägypten. Wer von Ihnen würde all das ohne Zögern tun?

Was sagt uns das? Dass es bei der Weihnachtsgeschichte eben auch darum geht, Verantwortung zu übernehmen, jenseits von männlichem Ehrgefühl. Dass man sich, egal wer wen „erkannt“ hat, der verdammten heiligen Regenbogenfamilie anschließt, die einen gerade braucht. Hochaktuell, oder?

Dann aber auch wieder nicht ganz richtig.

Meine Freundin D. reißt mich nämlich aus meiner Träumerei. D. weist darauf hin, dass Josef nicht aus eigenem Antrieb zu Maria gestanden hat, sondern weil eine übernatürliche männliche Autorität das so wollte.

Die Fünftage-vorschau

Mo., 1.1.

Mithu Sanyal

(auf taz.de)

Mithulogie

Di., 2.1.

Doris Akrap

So nicht

Mi., 3.1.

Adrian Schulz

Jung und dumm

Do., 4.1.

Jürn Kruse

Nach Geburt

Fr., 5.1.

Franziska Seyboldt

Psycho

kolumne@taz.de

Das stimmt leider, ich hab’s nachgeschlagen. Matthäus 1, 19: Maria ist schwanger – und Josef, dieser Feigling, beschließt, sie heimlich zu verlassen, weil er „fromm war und sie nicht in Schande bringen wollte“. Dann aber erscheint ein Engel und sagt: Das Kind ist vom Heiligen Geist, komm klar! Und Josef gehorcht.

Es wäre ja auch zu schön gewesen.