Wenn verrückte Ideen 40 Jahre später noch gut sind

2018 zieht die taz in ihr neues Haus – und jährt sich der Impuls ihrer Gründung zum 40. Mal. Die Vision „taz“ realisiert zu haben erweist sich heute als wichtiger denn je

Nicht ganz das charakteristische taz-Rot, trotzdem schön: ein Bauarbeiter vor der neu gestalteten Brandwand des taz- Neubaus Foto: taz

Von Kalle Ruch

Ein Jahr mit spannenden Themen geht zu Ende. Das sind gute Rahmenbedingungen für das Mediengewerbe, weil es für Interesse und Nachfrage nach Journalismus sorgt. Trump, Erdoğan, Brexit, Jamaika oder Groko, manches wird uns auch im nächsten Jahr erhalten bleiben. So wichtig spannende Zeiten für die taz als Teil dieses Medienbetriebes sind, so wichtig ist es, eigene taz-Themen zu setzen. Wir können gleich im Januar damit anfangen. Vor 40 Jahren, im Januar 1978, gab es in Westberlin (damals war die Stadt noch geteilt) ein Treffen der undogmatischen alternativen Linken: Tunix. Da wurde diskutiert, was man dem Establishment und seinen Institutionen als Alternative gegenüberstellen könnte. Neue Ideen von emanzipiertem Leben, kollektivem Arbeiten und nachhaltigem Wirtschaften.

Es wurde nicht nur geredet, denn aus vielen bei Tunix entwickelten Ideen wurden Projekte und später Unternehmen oder Organisationen, die unsere Gesellschaft zum Guten verändert haben. Bei Tunix gab es auch den ersten öffentlichen Auftritt junger Leute, die eine überregionale Tageszeitung gründen wollten. Eine verrückte Idee, denn der Zeitungsmarkt war damals fest gefügt, und die einzige erfolgreiche Neugründung einer Tageszeitung nach der Lizensierung der freien Presse durch die Alliierten war die Bild-Zeitung im Jahr 1952. Nach Tunix startete das Zeitungsprojekt taz mit einer Idee, die man heute Crowdfunding nennen würde. Es wurden Vorausabonnements gesammelt. Im Herbst 1978 wurde die erste Nullnummer entwickelt, und ab April 1979 gab es die taz täglich. Bis heute – nie ist eine Ausgabe ausgefallen. 40 Jahre später, nach mancher erfolgreich überwundenen Krise des kollektiven und selbstverwalteten Unternehmens, wird die taz als eine Genossenschaft, die von mehr als 17.000 taz-GenossInnen getragen wird, wieder zu neuen Ufern aufbrechen.

Das neue taz-Haus in der Friedrichstraße, gleich um die Ecke des alten Domizils in der Rudi-Dutschke Straße, wird am 30. Juni 2018 bezogen. Schon wenn man heute von der alten Adresse den kurzen Weg links in die Friedrichstraße geht, sieht man bald mit Erreichen des Besselparks das neue taz-Haus. „Das Netz als Struktur und System ohne Hierarchie ist die Leitidee und trifft die Haltung der taz. Sie ist bestimmendes Thema der Fassade und prägt damit das Erscheinungsbild des Hauses“, so beurteilte die Jury des Architektenwettbewerbs am 10. 7. 2014 den gewinnenden Wettbewerbsbeitrag von E2A. Das Netz als Leitidee der taz. Die taz, getragen von vielen. So wurde das neue taz-Haus mit sieben Mil­lio­nen Euro stillen Beteiligungen aus dem Kreis der taz Genossenschaftsmitglieder finanziert. An unserem Zukunftsprojekt „taz.zahl ich“ für unabhängigen Journalismus im digitalen Medienzeitalter beteiligen sich mehr als 11.000 UnterstützerInnen mit regelmäßigen freiwilligen monatlichen Zahlungen. Ein Drittel unserer regelmäßig zahlenden Leserinnen und Leser liest die taz inzwischen digital. Das Netz trägt.

Wir freuen uns auf das 40. Jahr der taz, in einer neuen Umgebung, mit immer neuen Aufgaben. Die Parole von Tunix hieß: Flüchten oder standhalten, entweder wir gehen auf eine Insel und machen uns ein schönes Leben, oder wir bleiben hier und verändern die Gesellschaft. Der Strand von Tunix liegt bald am Besselpark. Wir haben die richtige Entscheidung getroffen.

Karl-Heinz Ruch beaufsichtigt als taz-Geschäftsführer den Bau des neuen taz-Hauses.