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: Koloss aus Dschörmeni

Wie das deutsche Defensiv-Talent Julius Welschof den Sprung in die große National Football Leage schaffen will

Das, was wir hierzulande die Zeit zwischen den Jahren nennen, wird in den USA strukturiert von dem, was sie dort Fußball nennen. Der American Football, wie er bei uns heißt, bestimmt traditionell die Weihnachtszeit. Nicht nur streut die NFL ihre Spiele über die Feiertage, vor allem der College Football ist aus dem Fernsehprogramm nicht wegzudenken. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mehrere sogenannte „Bowls“ angesetzt sind: Die Spiele waren einmal als Belohnung für die besten Uni-Mannschaften nach einer erfolgreichen Saison gedacht. Weil aber die „Bowl Games“ längst ein prima Geschäft geworden sind, hat eine gefährliche Inflation eingesetzt: Sage und schreibe 39 solcher „Bowl Games“ gibt es in diesem Jahr. Um ausreichend Teilnehmer zusammenzubekommen für die Bowls, dürfen nun mehr als die Hälfte der 125 College-Mannschaften aus der höchsten Spielklasse mitmachen – auch Teams, die mehr Niederlagen als Siege eingefahren haben.

Sportlich wichtig wird es erst an Neujahr: Am 1. Januar spielen die vier vermeintlich besten Teams in zwei Halbfinalspielen die beiden Endspielteilnehmer aus, die dann genau eine Woche später den sogenannten National Champion ermitteln. Die vier Halbfinalisten wurden von einem Besetzungskomitee in einem jeden Jahr wieder kontrovers diskutierten Verfahren ausgewählt. Die Fans der anderen Unis lamentieren derweil darüber, dass ihre Mannschaft außen vor bleibt. So oder so: Es ist ein großes Ballyhoo, das da in der angeblich so friedlichen Weihnachtszeit stattfindet. Ein Rummel, den im kommenden Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit auch Julius Welschof wird mitmachen dürfte, denn der 20-Jährige aus Rosenheim wird ab dem kommenden Sommer an der University of Michigan Industrial Engineering studieren.

Vor allem aber wird er für die Michigan Wolverines, eine der größten und traditionsreichsten College-Mannschaften, vor bis zu 110.000 Zuschauern im universitätseigenen Stadion in Ann Arbor antreten. Und das, obwohl der gelernte Industriemechaniker erst seit vier Jahren Football spielt. Bis dahin war Welschof ein enthusiastischer Skifahrer. Seine Begeisterung für Football wurde erst als Austauschschüler in den USA geweckt, nach seiner Rückkehr lernte er bei den Rosenheim Rebels die Grundlagen. Schon nach wenigen Monaten wurde er in die bayerische Jugendauswahl berufen. Mit 18 wechselte er dann zu den Munich Cowboys, spielte aber nie für deren Mannschaft: Wäre Welschof in der German Football League (GFL) angetreten, hätte er riskiert, dass seine vier Jahre College-Spielberechtigung reduziert worden wären.

Denn Welschof hat einen Plan. Er will in die NFL. Er hofft, während der maximal vier Jahre in Michigan dermaßen auf sich aufmerksam zu machen, um nach dem College einen Profivertrag in der NFL zu bekommen. Eine Hoffnung, die Experten für nicht unbegründet halten. Zwei Meter groß ist Welschof, mittlerweile 115 Kilo schwer, aber trotzdem mit einem ungewöhnlich schnellen Antritt gesegnet. Ideale Voraussetzungen, um als Defensivspezialist den gegnerischen Quarterback davon abzuhalten, seine Pässe an den Mann zu bekommen.

Es ist ein großes Ballyhoo, das da in der angeblich so friedlichen Weihnachtszeit im College Football stattfindet

Im vergangenen Sommer präsentierte sich Welschof bei einer USA-Reise in den Sichtungscamps verschiedener College-Teams. Seitdem werden seine körperlichen Anlagen auch von verschiedenen Scouting-Agenturen als außergewöhnlich eingeschätzt. Trotz seiner mangelnden Football-Erfahrung bekam er von gut einem Dutzend zum Teil sehr renommierten Universitäten ein Stipendium angeboten. Am Schluss entschied er sich für Michigan, weil er dort die besten Chancen sieht, sich für die NFL zu empfehlen. Ein Karriereweg, den auch sein künftiger Cheftrainer nicht für ausgeschlossen hält: Jim Harbaugh, der als Headcoach mit den San Francisco 49ers die Super Bowl erreichte, ist angetan von Welschof. „Er ist motiviert, er will besser werden, und wir haben eine Vision für ihn“, sagt Harbaugh, „ich glaube, dass wir ihn zu einem großartigen Footballspieler machen können“. Thomas Winkler