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: alles, was recht ist / konfliktmanagement

Wenn Kinderfotos die Runde machen

In sozialen Netzwerken wird vieles hochgeladen, auch öffentlich-rechtliche Sender verbreiten mittlerweile Inhalte auf Facebook. Neben Fotos von sich selbst posten viele Menschen auch die ihrer Kinder. Rechtlich ist das problematisch

Von André Zuschlag

Das zensierte Foto eines Kleinkindes auf Facebook sorgte für Aufmerksamkeit. Darunter stand: „Liebe Mama, lieber Papa, wenn wir uns in 15 Jahren zu Hause das Fotoalbum gemeinsam anschauen, dann kann ich bestimmt herzlich mit euch darüber lachen. Aber habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass ich mir selbst aussuchen möchte, wen ich mit ins Fotoalbum schauen lasse?“

Das Deutsche Kinderhilfswerk hatte das Foto auf Facebook veröffentlicht. Mit diesem Post startete es eine Kampagne, um Eltern darüber aufzuklären, was es bedeutet, wenn sie Fotos ihrer Kinder in den sozialen Medien wie Facebook oder Instagram hochladen oder über Whatsapp verbreiten. Schließlich haben auch Kinder Persönlichkeitsrechte.

Rechtlich betrachtet kommt hier das „besondere Persönlichkeitsrecht“ zum Tragen, in dem das Recht am eigenen Bild gesichert ist. „Natürlich könnte man sagen, dass Eltern aufgrund ihres Sorgerechts im Namen der Kinder entscheiden dürfen, wenn sie Bilder von ihnen hochladen“, sagt Stefan Dirks, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. „Aber so einfach ist es nicht.“ Zwar gilt das Sorgerecht, bis die Kinder 18 Jahre alt sind, „allerdings gelten Minderjährige ab etwa 14 Jahren als einsichtsfähig. Ab dann dürfen auch die Eltern nicht ohne ihre Zustimmung Bilder hochladen“, sagt Dirks. Bis zu diesem Alter liegt die Verantwortung bei den Eltern, danach könnten sie sich mitunter strafbar machen, denn die Risiken können von den Kindern dann eigenständig eingeschätzt werden.

Das Ergebnis einer vom Kinderhilfswerk in Auftrag gegebenen Studie kommt zu dem Schluss, dass einem Großteil der Eltern das Problembewusstsein für die Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder fehlt. Demnach hole sich weniger als ein Drittel der Eltern die Erlaubnis ihrer Kinder ein, wenn sie ein Foto von ihnen posten wollen. „Viele teilen augenscheinlich unüberlegt Fotos von Kindern über soziale Netzwerke“, kritisiert Thomas Krüger, Präsident des Kinderhilfswerks.

Sind Fotos einmal im Netz, geht die Kontrolle darüber weitgehend verloren. Wenn die älter gewordenen Kinder von den Eltern einmal verlangen, die einst ins Netz gestellten Fotos zu löschen, können andere die Fotos da längst kopiert, verfremdet und verbreitet haben. Auch Unternehmen können solche Fotos nutzen, um Informationen über Hobbys oder Gewohnheiten zu sammeln. Nicht zuletzt könnten Fotos in den Händen von Pädophilen landen, die sie auf anderen Plattformen teilen.

Das Kinderhilfswerk hat deshalb einige Tipps dazu veröffentlicht, was Eltern beachten sollten. Etwa dass zu hochgeladenen Fotos nicht gleichzeitig persönliche Daten der Kinder veröffentlicht werden sollten. Oder dass es für die Bildaussage meist nicht zwingend notwendig ist, das Gesicht des Kindes zu zeigen.

Facebook beansprucht weltweite Nutzungsrechte

Generell sollte beim Hochladen von Inhalten auf soziale Medien, ob nun Bilder von den Kindern oder von sich selbst, klar sein, dass man gewisse Rechte abgibt. „Du gewährst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz für die Nutzung jedweder IP-Inhalte, die du auf bzw. im Zusammenhang mit Facebook postest“, heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook, denen Nutzer durch die Anmeldung zustimmen; sie erteilen der Plattform das sogenannte einfache Nutzungsrecht für allen Medien, die sie hochladen.

„Soziale Medien wie Facebook funktionieren nur so, dass die Nutzer gewisse Rechte an das Unternehmen abgeben“, sagt der Jurist Dirks. So wird etwa das eigene Profilbild, wenn jemand einen Inhalt geteilt hat, benutzt, um es für andere sichtbar zu machen. „Wenn Facebook allerdings anfangen würde, Werbungen mit Profilbildern von Nutzern zu schalten, wäre das rechtswidrig. Denn damit kann ein Nutzer im Traum nicht rechnen“, sagt Dirks.

Ein anderer, noch recht junger Aspekt, der soziale Medien betrifft, dreht sich um die Jugendformate der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Solche Plattformen wie etwa „funk“ von ARD und ZDF oder „Bremen Next“ verbreiten ihre Inhalte in großen Teilen über soziale Medien. Wenngleich die privaten Medienunternehmen solche Angebote heftig kritisieren, weil damit die Unternehmen wie Facebook gestärkt würden, ist das zumindest rechtlich problemlos. „Da weder private noch öffentliche Nutzer Facebook Geld bezahlen, um die Plattform zu nutzen, kann man auch nicht sagen, dass Facebook auf Umwegen gebührenfinanziert würde“, sagt Dirks.

Der öffentlich-rechtliche Runkfunk sieht in der Präsenz in den sozialen Medien eine Notwendigkeit. „Wenn wir unsere Zielgruppe erreichen wollen, müssen sie da hin, wo Jüngere unterwegs sind. Das sind eben soziale Medien wie Facebook oder Instagram“, sagt Michael Glöckner von Radio Bremen. Bei Bremen Next versuche man, die Angebote immerhin auf möglichst viele soziale Medien zu verteilen, um niemanden zu bevorteilen. An den sozialen Medien jedoch führe kein Weg vorbei, denn es besuche schlicht fast niemand die Mediathek von Bremen Next. „Natürlich ist das unser Ziel, aber in diesem Dilemma stecken wir nun mal“, sagt Glöckner.

Darüber hinaus könnten auch die Facebook-Seiten der öffentlich-rechtlichen Sender schon bald vor dem Aus stehen. Derzeit läuft vor dem Europäischen Gerichtshof eine Klage des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein. Das hatte die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein aufgefordert, ihre „Fanpage“ auf Facebook zu deaktivieren, weil die Besucher der Seite nicht darüber informiert würden, dass Facebook personenbezogene Daten darüber sammelt. Aus Sicht des Landeszentrums sei das ein datenschutzrechtlicher Verstoß, der auch in der Verantwortung des Fanpage-Betreibers liege und nicht allein bei Facebook. Auch wenn es noch kein endgültiges Urteil gibt, schätzt der Jurist Dirks, dass das Gericht der Ansicht des Landeszentrums folgen werde.

Dann wären Fanpages, wie es auch die Jugendformate der Rundfunkanstalten haben, in ihrer jetzigen Form unzulässig. „Gerade eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt“, sagt Dirks, „hat auch eine Fürsorgepflicht für seine Zuschauer, der hier nicht nachgegangen wird.“