Stadtgespräch
Ralf Leonhard aus Wien
: Ein linker Aufruf, die Minister der österreichischen Regierungspartei FPÖ zu boykottieren, könnte nach hinten losgehen

Schweigen und Apathie der Politik angesichts der Migrations­krise hat rechte Parteien überhaupt erst so stark werden lassen“, schimpft „der foronaut“ im onlineForum des Standard: „Die No­bodys vom politischen Abstellgleis sollten sich besser sehr genau überlegen, was sie da eigentlich sagen“.

Die „Nobodys“, das sind ein paar Intellektuelle, die in der französischen Tageszeitung Le Monde („Le Monde.fr“ ) vor den „Erben des Nazismus“ in Österreich warnten. Sie prangern „das Schweigen und die Apathie“ angesichts des Eintritts „der extremen Rechten“ in die österreichische Regierung an. Dagegen müsse „resolut“ Stellung bezogen werden. Konkret werden europäische Minister aufgefordert, Minister der FPÖ nicht zu empfangen. Unter­zeichnet haben neben dem französischen Ex-Außenminister Bernard Kouchner die bekannten Nazi-Jäger Serge und Beate Klarsfeld und der ehemalige Präsident von Osttimor und Friedens­nobelpreisträger José Ramos-Horta.

Aus Österreich ist niemand dabei.Wohl aus gutem Grund: hierzulande weiß man, dass solche Initiativen meist nach hinten losgehen. Der Gründer des österreichischen Gedenkdienstes, Andreas Maislinger, erhält seit Jahren eine sehr breite Unterstützung für sein Projekt „Haus der Verantwortung“ in Braunau am Inn. Zu seinen UnterstützerInnen gehört neben Konstantin Wecker und SPD-Chef Martin Schulz auch Beate Klarsfeld. Das Hitler-Geburtshaus wurde jüngst enteignet und gehört der Republik. FPÖ-Innenminister Herbert Kickl kann allein darüber verfügen. Andreas Maislinger fragt daher Beate Klarsfeld, wie er mit dem Boykottaufruf umgehen soll.

Auch der ehemalige Grünen-Abgeordnete Karl Öllinger sieht es differenziert. Denn man wisse, „wie solche Aufrufe rezipiert und instrumentalisiert werden“. Er fürchtet, dass erneut eine Wagenburgpolitik hochgezogen werde, die zur Konsolidierung der Regierung beitragen könnte. Die Isolationspolitik der EU gegen die schwarzblaue Regierung von Wolfgang Schüssel (ÖVP) ab dem Jahr 2000 habe das ja gezeigt. Für ihn ist das aber kein Grund, sich vom Aufruf zu distanzieren. „Dass alle Geheimdienste in der Hand von FPÖ-Ministerin liegen“, findet er besorgniserregend: „Diese Besorgnis hat mir noch keiner genommen“.

FPÖ-Generalsekretär und EU-Abgeordneter Harald Vilimsky scheint ihm mit seiner geifernden Antwort recht zu geben. Er wittert ein „durchschaubares Manöver und das letzte Aufgebot der vereinigten Linken“, welches das Ziel habe, „der neuen österreichischen Bundesregierung Schaden zuzufügen“. Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) zog sich mit einem Stehsatz aus der Affäre und lud Kritiker ein, „uns an den Taten zu messen“.

Der bekannte Politologe Anton Pelinka will die ÖVP aber nicht so billig aus der Verantwortung entlassen. Er sieht den Aufruf als „willkommene Erinnerung daran, wie die Allianz mit einer Partei, die sich als Schwesterpartei des Front National versteht, in weiten Teilen Europas wahrgenommen wird“. Ähnlich auch der pensionierte Bildungswissenschaftler Josef Christian Aigner, der mit Freude sieht, „dass das Paktieren mit der extremen Rechten nicht so klaglos geht“. In Deutschland wäre selbst für Horst Seehofer undenkbar, mit der AfD zu kokettieren: „Das selbstverständliche Liebedienern der Schwarzen mit den Rechtsextremen ist unglaublich.“

Juso-Vorsitzende Julia Herr freut sich, „dass international diese Diskussion geführt wird“ und die Unterzeichner erkannt hätten, dass es sich bei den FPÖ-Politikern um Erben des Nationalsozialismus handle. Allerdings hält sie es innenpolitisch für wirksamer, den bevorstehenden Sozialabbau durch die Regierung zu thematisieren.

Anders als vor bald 18 Jahren hat die EU diesmal auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ vorsichtig reagiert. Kampfansagen hörte man nur aus Ankara und Israel. Auch das aber schaumgebremst. Israels Regierungsmitglieder wollen FPÖ-Minister „vorläufig“ nicht empfangen.

Der Poster „Deus X Machina“ gibt den Tenor aus dem Standard-Forum wieder: „Legen es ein paar dämliche Leute wieder auf Sanktionen an? Offenbar wollen sie, dass die Bevölkerung noch mehr die FPÖ wählt, anders ist dieser Schwachsinn nicht zu erklären.“