Fünf Jahre vergeblicher Kampf

Am Donnerstag will der grün geführte Bezirk in Berlin-Kreuzberg eine von Flüchtlingen besetzte Schule räumen. Perspektiven für die Männer zu schaffen, gelang dem Bezirk nicht

Tagelanger Widerstand: 2014 protestierten die Flüchtlinge noch mit einer Besetzung des Hausdachs gegen ihre Räumung Foto: Björn Kietzmann

Aus Berlin Erik Peter

Wenn dieses Mal alles normal läuft, wird das Kapitel der Flüchtlingsschule in Berlin-Kreuzberg am Donnerstag vergleichsweise unauffällig beendet. Für morgens 8 Uhr hat sich der Gerichtsvollzieher angekündigt, um die verbliebenen etwa ein Dutzend, aus afrikanischen Ländern stammenden Männer des Gebäudes zu verweisen – sollten diese nicht schon vorher freiwillig gehen. Bei einem ersten Räumungsversuch von Bezirk und Polizei im Sommer 2014 war das noch anders: Da hatten sich die Geflüchteten durch eine tagelange Besetzung des Daches erfolgreich ihr Bleiberecht in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule erkämpft. Auch durch die Proteste Hunderter Unterstützer war Kreuzberg tagelang im Ausnahmezustand.

Doch anders als damals hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg um seine grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann diesmal einen vor Gericht erstrittenen, gültigen Räumungstitel. Auch sind die Flüchtlinge auf eine kleine Restgruppe zusammengeschrumpft, ihr Sympathisantenumfeld hat sich deutlich ausgedünnt. Eine Protestkundgebung mit folgender Demonstration wurde erst am Montag angekündigt. Einen echten Versuch, sich gegen die Räumung zu stemmen, wird es wohl nicht geben. „Wir wollen nicht die Schule haben, sondern ein normales Leben“, sagte Njan, einer der Noch-Bewohner und Besetzer der ersten Stunde, der taz.

Doch hier liegt die Crux: Nicht nur, dass die ursprünglichen politischen Ziele wie die Abschaffung der Residenzpflicht nicht erreicht wurden, auch individuell sieht es schlecht aus für die meisten der Geflüchteten, die 2012 erst den nahen Oranienplatz und später die Schule besetzt hatten. Viele von ihnen sind auf der Straße gelandet oder wurden abgeschoben. Und auch die verbliebenen Bewohner haben keine gültigen Aufenthaltstitel. Sie dürfen nicht arbeiten, bekommen kein Geld. Wie es mit ihnen weitergeht? In einer Antwort auf eine kleine Anfrage schrieb ­Herrmann Anfang Januar: Das Bezirksamt gehe davon aus, dass die Bewohner „ein geeignetes Unterbringungsangebot durch das Landesflüchtlingsamt erhalten“.

Schriftlich zugesagt wurde den Flüchtlingen bisher indes nur eine vierwöchige Unterbringung. Gespräche über mögliche Bleiberechtsperspektiven, verbunden mit dem Recht zu arbeiten, haben bislang zu keinem Ergebnis geführt. Weder das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten noch die Innenbehörde oder der Bezirk haben einen Durchbruch für die Männer erreicht. Besonders auf die Grünen im Bezirk ist die Wut der Flüchtlinge groß. Der inzwischen verstorbene Stadtrat Hans Panhoff hatte einst auf dem Dach das Einigungspapier über den Verbleib in der Schule unterschrieben, das der Bezirk im vergangenen Jahr erfolgreich angefochten hat.

Während der Nordflügel der Schule zu einer Unterkunft für geflüchtete Familien umgebaut und bezogen wurde, plant der Bezirk im dann geräumten Südflügel ein Flüchtlingszentrum mit Beratungsangeboten. Ursprüngliche Überlegungen, mit den Bewohnern ein selbst verwaltetes „Refugee Center“ zu erschaffen, seien „torpediert und nie ernst genommen“ worden, kritisieren die Flüchtlinge in einer Stellungsnahme. Wie es aussieht, stehen sie fünfeinhalb Jahre nach Beginn ihres Protests mit leeren Händen da.