das portrait
: Gerhard Scharf ist einem rechten Blogger auf den Leim gegangen

Steht zu seinen Aussagen: Lüneburgs Bürgermeister Gerhard ScharfFoto: Stadt Lüneburg

„Ich stehe zu meinen Aussagen, natürlich!“, sagt Lüneburgs Bürgermeister Gerhard Scharf der taz. Dieses „natürlich“ mit fester Stimme ist auch öfters in dem Video „Auf der Pirsch in Lüneburg – ein Bürgermeister spricht Klartext“ zu hören. Diese Aufnahme ist seit dem 6. Januar auf dem Youtube-Kanal von „Der Volkslehrer“ zu sehen. Und seit diesem Tag steht der langjährige CDU-Kommunalpolitiker Scharf in der Kritik.

„Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich jetzt nichts mehr sage, ich habe mit dem Oberbürgermeister vereinbart, nicht auf die Stellungnahmen der Stadt zu verweisen“, weicht er weiteren Fragen aus – geht es doch längst um politische Schadensbegrenzung. Denn „Der Volkslehrer“ ist nicht nur der Berliner Grundschullehrer und gebürtige Lüneburger Nikolai N., der gerade wegen seiner rechten Hass- und Hetzvideos suspendiert wurde. Hinzu kommt, dass der Bürgermeister selbst sich in dem Video mit seinen Ansichten nicht sonderlich bedeckt hält.

Für seinen Youtube-Kanal filmte N. am 2. Januar in seiner Heimatstadt. Am Gedenkstein für die 110. Infanterie-Division treffen sich der ältere Bürgermeister und der junge Lehrer zufällig. Die Division war an Kriegsverbrechen in Weißrussland beteiligt. Auf den Gedenkstein hat jemand mit roter Farbe „Deutsche Täter“ gesprüht. N. und Scharf kommen ins Gespräch.

Der Bürgermeister erklärt vor laufender Kamera, dass es ihm nicht darum gehe, Schandtaten aufzurechnen, sondern um „die Versöhnung“, was „die Linken“ aber nicht verstehen würden. Mit Bezug auf ein Treffen im August vergangenen Jahres mit sechs älteren Damen, die Ende des Zweiten Weltkriegs in Weißrussland als Waisenkinder das Konzentrationslager Ozarichi überlebten, mokiert Scharf sich über die Begleiter der Damen. Als Bürgermeister hätte er die Gruppe empfangen. Die Begleiter hätten aber nichts von Versöhnung hören wollen. N. hakt nach: Die „Linken“ wollten das nicht hören. „Natürlich nicht“, sagt Scharf. „Die wollen das nicht kapieren“, fasst N. nach. „Die wollen das nicht kapieren, für die sind alle deutschen Soldaten Faschisten und Verbrecher“, sagt Scharf.

Die Linken hätten die Geschichtsdeutung gepachtet , sagt N. Und Scharf meint: „Richtig! Und dann wollen die mir noch was von Demokratie erzählen. Da geht einem das Messer in der Tasche auf.“

Im Video betont Scharf, kein „Ultrarechter“ zu sein, „aber ich trete dafür ein, dass historische Wahrheiten als solche benannt werden.“ Zu dieser Wahrheit gehört für ihn auch, dass nicht alle Fremdarbeiter schlimm behandelt wurden. Auch dies wollen die Linken nicht hören. N. führt an: „Das ist antideutsche Propaganda“. „Natürlich“, meint Scharf.

Schon von 1986 bis 2011 war Scharf Bürgermeister der Stadt und sitzt in diversen Ausschüssen und Vorständen. In einer Erklärung der Stadt zu dem Video wird betont, dass die Aufnahme „unglücklich aufgefasst werden kann“. Dies läge weniger an den Äußerungen von Scharf als der „vereinnahmenden Art“, mit denen der Blogger die Worte deute. Ohne „bösen Hintergedanken als Privatmann“ hätte Scharf drauflosgesprochen, ohne zu wissen, mit wem er rede. Am Ende des Videos stellt sich Scharf allerdings mit Name und Funktion vor. N. sagt, dass er das Gespräch gerne veröffentlichen möchte. Scharf: „Was ich gesagt habe, dürfen sie verwerten.“ Einer Bitte des Bürgermeisters kommt N. nach: Er filmt ihn nicht. Nur zum Schluss huscht der Bürgermeister durchs Bild.

Andreas Speit