heute in hamburg
: „Aggressiver Nationalismus“

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Volker Weiß, 45, ist Historiker und freier Publizist. Er forscht zu Geschichte und Gegenwart der extremen Rechten in Deutschland.

Interview Adèle Cailleteau

taz: Herr Weiß, ist das Phänomen der sogenannten Neuen Rechten wirklich neu?

Volker Weiß: Es hat einen längeren Vorlauf. Neu ist derzeit nur, dass sie tatsächlich politischen Erfolg und Einfluss hat, bis in die AfD und damit in den parlamentarischen Bereich hinein. Aber ihre Programmatik ist nicht neu. Das sind zum großen Teil Weltanschauungen aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen mit einem radikalen Nationalismus, zugleich revolutionär und antibürgerlich.

Beinhaltet sie totalitäre Elemente?

Auf jeden Fall. Es gibt eine Ablehnung gegenüber jeder Form des kulturellen Liberalismus und eine große Sehnsucht nach einem autoritären Staat sowie eine deutliche Diffamierung der Demokratie.

Ist das überall in Europa so?

Der Rechtspopulismus unterscheidet sich je nach Land voneinander, je nach nationalen Vorbedingungen. Diese Neue Rechte, mit welcher wir es in der Bundesrepublik zu tun haben, ist anders gelagert als beispielsweise in den Niederlanden oder in Skandinavien, was natürlich an der deutschen Geschichte liegt. In Deutschland aber auch in Österreich haben wir eine stärkere Beziehung zu den durchaus faschistischen Theorien der 20er-Jahre. Wir haben weniger liberale Elemente, dafür aber einen wesentlich aggressiveren Nationalismus.

Sie erklären in Ihrem Buch „Die autoritäre Revolte“, dass der Chef von der rechten Zeitschrift „Compact“ die Idee hatte, die Bewegung Pegada statt Pegida für „Patriotische Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes“ zu nennen. Wieso?

Die sogenannte Islamisierung ist von der Neuen Rechten als die drohende Konsequenz der amerikanischen Vorherrschaft wahrgenommen worden. Der Vorwurf lautet, dass die Amerikaner die deutsche, aber auch die europäische Kultur mit ihrem liberalen Gesellschaftsmodell zerstört haben. Die Neue Rechte ist wesentlich weniger islamfeindlich als es den Anschein hat. Wenn man ihre Propaganda anschaut, ist grundsätzlich der Kampf gegen den Islam eigentlich nur eine Folge ihres Kampfes gegen westlich-liberale Modelle, die sie als Hauptfeind identifiziert haben.

Gibt es Ähnlichkeiten zwischen den Neuen Rechten und Islamisten?

Definitiv. Der politische Islam ist ein radikalisierter Ultrakonservatismus. Seine Moralvorstellungen und Weltsicht überschneiden sich deutlich mit klassischen rechten Weltanschauungen.

Buchvorstellung „Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes“ mit dem Autor: 20 Uhr, Rote Flora, Schulterblatt 71