Früher war mehr Revolution?

Zum 40. Tunix-Jubiläum planen wir am 27. Januar 2018 eine große Sonderausgabe der taz am Wochenende. Dazu haben wir Sie um Berichte von damals gebeten. Vielen Dank!

Das Cover der Einladung zum Tunix-Treffen 1978 in Berlin. Gäste waren unter anderem Michel Foucault und Felix Guattari. Karikatur: Harald Pfeffer

Dirk Knipphals
und Johanna Roth

Es muss, nach allem, was man hört, eine total chao­tische Veranstaltung gewesen sein. Trotzdem – oder vielleicht sogar gerade deswegen – war sie auch überaus fruchtbar.

Vom 27. bis zum 29. Januar 1978 trafen sich geschätzt 15.000 linksbewegte Menschen, Freaks und Aktivisten aus ganz Deutschland in der Mensa und dem Audimax der Berliner Technischen Universität. Sie stritten, feierten, demonstrierten, quatschten durcheinander und präsentierten sich gegenseitig ihre Projekte.

Und siehe da: Ziemlich genau neun Monate später gab es die erste Nullnummer der taz. Ein Jahr später fand in Berlin der erste Umzug zum Christopher Street Day statt. Bald darauf gab es die Alternativen Listen, dann die Grünen.

Alternativbewegungen der alten Bundesrepublik

Das alles wurde auf dem Kongress selbstverständlich nicht erfunden. Aber es wurde in den Januartagen vor vierzig Jahren öffentlich, die Alternativbewegungen der alten Bundesrepublik zeigten sich gegenseitig, was möglich war und was sie alles vorhatten. Damit wurden die Vorhaben institutionalisiert. Der Tunix-Kongress wurde somit zu einem der Gründungsakte dessen, was später Bunte Republik Deutschland heißen sollte; der Moment, an dem die antiautoritären Bewegungen der Bundesrepublik ihre Ärmel hochkrempelten.

Zehn Jahre nach 68 und drei Monate nach dem Deutschen Herbst 1977 mit der Entführung der „Landshut“ und dem Selbstmord der RAF-Gründergeneration in Stammheim ging es jetzt nicht mehr darum, den Staat oder das Establishment frontal anzugreifen, sondern die entstandenen Nischen zu nutzen und Alternativen zum Bestehenden dort zu verwirklichen, wo es möglich war. Verbunden war das mit der Hoffnung, dass sich die einzelnen Projekte in der Art eines Wurzelwerks zu einem besseren, selbstbestimmten, freierem Leben verknüpfen würden; rhizomatisch nannte man das damals.

Wie war das möglich? Was ist damals genau passiert? Und was bedeutet das alles heute?

Nachdenkliche und rührende Reaktionen

Die taz hat im Vorfeld des 40. Jubiläums des „Treffens in Tunix“ in Anzeigen und Mails an die Mitglieder ihrer Genossenschaft die Teilnehmer von damals dazu aufgerufen, uns ihre Erinnerungen zu schicken. Uns haben viele, teils rührende, teils nachdenkliche Reaktionen erreicht. Vom 17-jährigen Schüler, der sofort aus der Provinz Westdeutschlands nach Berlin trampte, bis zur Studentin, deren Leben durch die Begegnung mit dem Philosophen Michel Foucault einschneidend geändert wurde.

Herzlichen Dank für die rege Beteiligung! Am kommenden Wochenende wollen wir auch mit Ihrer Hilfe die Geschichte von Tunix aus Anlass des Jubiläums auf acht Seiten erzählen, auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen politischen Krisen. „Auf nach Tunix“ lautete im Januar 1978 das einschlägige Motto. Am kommenden Wochenende wollen wir Sie zu einer „Rückkehr nach Tunix“ einladen.

Zum 40. Tunix-Jubiläum am 27. Januar 2018 erscheint die taz als TUNIX-Sonderausgabe