Nachrichten-Videos für alle

In Österreich kooperieren öffentlich und private Sender – ein Vorbild für Deutschland?

Da schau her, ein neues Nachrichten­video! Leiwand! Foto: Christian Bruna

Von Ralf Leonhard

Sollen der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Privaten einander schonungslos Konkurrenz machen oder besser die Kooperation suchen? In Österreich ist man letzteren Weg gegangen – zumindest was die Vermarktung von Video-Contents mit Nachrichtencharakter betrifft. Ein Jahr nach der Einrichtung der „Austria Videoplattform“ (AVP) zieht man beim ORF nun zufrieden Bilanz. „Über die Drehscheibe für den Austausch von redaktionellem Videocontent österreichischer Medienhäuser wurden 2017 insgesamt 31.609 Beiträge zur Verfügung gestellt, darunter 28.831 allein vom ORF“, heißt es in einer Presseaussendung. Die Abrufzahlen des AVP-Contents über die Onlineportalpartner seien von rund 154.000 im Startmonat Januar 2017 auf Spitzen von mehr als 1,2 Millionen geklettert.

Die AVP dient als eine Art Drehscheibe für Nachrichten-Videos, die von den Medienhäusern genutzt werden können. Ursprung der Plattform sei die Überlegung gewesen, den Internetgiganten zu begegnen, sagt Petra Haller, die bei der Austria Presse Agentur (APA) für die AVP zuständig ist. Man maße sich nicht an, Netflix oder You­Tube herauszufordern, so Haller, aber die Absicht, Werbegelder im Land zu halten, sei aufgegangen. Wie viel erlöst wird, will Haller nicht sagen, die APA kommuniziert lediglich den jährlichen Konzernumsatz .

Für den ORF ist der Aufwand gering, denn er bietet seit Jahren mit der Videothek bereits die Möglichkeit, Sendungen im Livestream oder im Nachhinein sieben Tage lang abzurufen.

Auch die APA als zentrale Informations- und Technologieplattform der Medien konnte das Projekt kostenschonend umsetzen, da die IT-Infrastruktur mit dem zentral eingesetzten Videoplayer der APA-IT bereits vorhanden war. Die Innovation bei diesem Projekt liegt im Geschäftsmodell. Petra Haller: „Die Herausforderung war die Etablierung einer gemeinsamen Allianz; für die Umsetzung lag die Nachrichtenagentur als bestehendes Gefäß auf der Hand.“

Der Netto-Werbeerlös wird 1:1 zwischen Content- und Inventarprovidern geteilt: Also 50 Prozent erhält der jeweilige Video-­Lieferant, die restlichen 50 Prozent werden unter den ausspielenden Portalen/Medienhäusern je nach deren Anteil an den Werbeanfragen (Ad Requests im Fachjargon) verteilt.

Das Neue ARD-Chef Ulrich Willhelm hat zu seinem Amtsantritt Anfang Januar die Idee einer gemeinsamen Web-Plattform von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Zeitungsverlagen ins Spiel gebracht. Das könnte als Versöhnungsangebot gemeint sein.

Der Streit Seit Jahren klagen Verlegervertretungen immer wieder wegen Webangeboten gegen die Rundfunkanstalten. Sie befürchten unlautere Konkurrenz durch die gebührenfinanzierten Sender. Zuletzt haben ARD-Anstalten häufig nachgegeben.

Der Kontext Rundfunkanstalten dürfen kein „presseähnliches“ – also textlastiges – Angebot veröffentlichen. Auf Webseiten und in Apps verschwimmen aber immer häufiger die Grenzen. (pwe)

Das selbstgesteckte Ziel an Zugriffen hat man erreicht. APA-Geschäftsführer Clemens Pig spricht von einem nachhaltigen Trend: Im August hatte man rund 760.000 Zugriffe verzeichnet, im September etwa 800.000 und im Oktober 1,044 Millionen. So habe die AVP mittlerweile auch „die nötige ‚Reiseflughöhe‘ für die heimische Online-Werbewirtschaft erreicht“. ORF-Online-Chef Thomas Prantner verwies auf den „maßgeblichen Anteil“ des Öffentlich-Rechtlichen am Contentangebot. Der ORF stellt im Schnitt 2.400 eigenproduzierte TV-Beiträge pro Monat zur Verfügung und ist damit mit Abstand der größte Contentprovider. Insgesamt ist die Anzahl der Contentprovider, also Medien, die Inhalte einspeisen, von zwei auf zwölf angewachsen.

Die Initiative war vom ORF und dem Verband österreichischer Zeitungen ausgegangen. Als Inventarprovider, also Abnehmer der Beiträge, sind derzeit 16 Medienhäuser mit 44 Portalen an Bord. Anfangs waren es 11. Darunter sind neben den privaten TV-Kanälen auch die wichtigsten Tageszeitungen. Über die Verlagsgruppe News auch Spartenmagazine wie Autorevue, Golfrevue oder Yachtrevue.

Auch der ORF setzt nicht ausschließlich auf politische Nachrichten. Vielmehr ist „Bundesland HEUTE“ mit eher seichten regionalen Berichten mit über 52 Prozent der wichtigste Lieferant, die „Zeit im Bild“ folgt mit 33,9 Prozent.