Nächtliche Schüsse auf Erdoğan-Kritiker bei Köln

Der prokurdische Fußballspieler Deniz Naki ist derzeit auf Heimatbesuch in Deutschland.
Auf der Autobahn wurde auf ihn geschossen. Wer dahintersteckt, ist unklar

Von Martin Kaul

Unbekannte haben in der Nacht auf Montag aus einem fahrenden Auto mehrere Schüsse auf den Wagen des Fußballers und Erdoğan-Kritikers Deniz Naki abgefeuert. Der 28-Jährige entkam unverletzt auf der Autobahn A4 zwischen Düren und Köln, die Täter flohen. Naki vermutet hinter der Tat einen gezielten Anschlag aufgrund politischer Motive.

Naki ist ein deutsch-türkischer Fußballer mit kurdischem Hintergrund. Er spielte in der Vergangenheit unter anderem für die deutsche U21-Nationalmanschaft, den FC St. Pauli und steht seit 2015 beim kurdischen Verein Amed SK in Diyarbakir unter Vertrag. Dort spielt er in der dritten türkischen Liga. Naki gilt als prominenter Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Für viele Kurden ist er eine Helden-, für türkische Nationalisten eine Hassfigur. 2017 verurteilte ihn ein türkisches Gericht zu 18 Monaten Haft auf Bewährung wegen vermeintlicher „Terrorpropaganda“. Naki hatte einen Sieg seiner Mannschaft den Kurden gewidmet.

Die Staatsanwaltschaft Aachen bestätigte am Montag die Schüsse auf Nakis Wagen. Eine Mordkommission ermittle nun wegen eines versuchten Tötungsdelikts in alle Richtungen. In Internetforen türkischer Nationalisten wurde der Anschlag auf Naki bereits kurz nach der Tat kommentiert. Teils schrieben anonyme Nutzer, es sei schade, dass Naki nicht getroffen worden sei. Unterstützung erhielt der Fußballer dagegen etwa von seinem Ex-Verein FC St. Pauli. Der Verein teilte mit, er sei „schockiert und fassungslos“.

Der kurdische Dachverband NAV-DEM nahm den Vorfall zum Anlass, die deutsche Bundesregierung zu kritisieren. „Der Anschlagsversuch auf Naki beweist, wovor wir die ganze Zeit gewarnt haben. Kritiker des Erdoğan-Regimes sind in Deutschland längst nicht mehr sicher“, sagte die Vorsitzende des Verbands, Ayten Kaplan. Sie forderte die Bundesregierung auf, die Gefahr ernster zu nehmen, die vom türkischen Geheimdienst für kurdische Aktivisten und türkische Oppositionelle in Deutschland ausgehe.

Ob es wirklich türkische Nationalisten oder Täter mit Verbindungen zu türkischen Institutionen sind, ist allerdings noch völlig unklar. Sollte sich das herausstellen, hat der Fall jedoch große politische Sprengkraft. Zuletzt hatten sich die deutsch-türkischen Beziehungen, die unter anderem aufgrund der Festnahme des Journalisten Deniz Yücel belastet sind, leicht entspannt. Deutsche Sicherheitsbehörden beobachten jedoch mit Sorge Organisationen wie etwa die Osmanen Germania, eine Rockervereinigung, der Nähe zur türkischen Regierungspartei AKP nachgesagt wird. Ganz unbegründet sind die Sorgen allerdings nicht: In Paris waren im Januar 2013 drei kurdische Aktivistinnen mit Kopfschüssen getötet worden. Pariser Ermittler gingen davon aus, dass der Täter ein V-Mann des türkischen Nachrichtendienstes MIT war. Einen Monat vor dem Prozesstermin starb er in französischer Haft.