Deutsche Grenzgeschichte: Neuer Mauertunnel entdeckt

Bei Bauarbeiten unter dem Mauerpark kommt ein bislang unbekannter Fluchttunnel zutage. Den untersuche nun ein Archäologe, sagt der Sprecher der Wasserbetriebe, Stephan Natz.

Heute ein Ort, der eher verbindet als trennt: der Mauerpark in Berlin Foto: dpa

taz: Herr Natz, die Wasserbetriebe haben einen spektakulären Fund gemacht. Was ist passiert?

Stephan Natz: Unter dem Mauerpark legen wir einen großen unterirdischen Stauraumkanal an. Bei den Vorbereitungen für die Startbaugrube am Eingang Bernauer Straße sind unsere Leute beim Abbaggern auf ein etwa vier mal vier Meter großes Fundament gestoßen. Aus diesem guckten abgesägte Eisenbahnschienen heraus. Dabei handelte sich um eine Panzersperre aus der Zeit kurz nach dem Mauerbau. Direkt hinter der Panzersperre begann in der Frühzeit der DDR das Territorium von Westberlin. Erst 1988 ist das Gelände in Rahmen eines Gebietstauschs zu Ostberlin gekommen. Es wurde gegen das Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz eingetauscht.

Was haben die Wasserbetriebe nach dem Fund veranlasst?

Der Verein der Freunde des Mauerparks hat sofort kombiniert, dass es sich um eine Panzersperre handelt. Daraufhin haben wir den Archäologen und Mauerforscher Torsten Dressler hinzugezogen.

In der Zeit der Berliner Mauer (1961–1989) entstanden mehr als 70 Tunnel. Die meisten wurden in den frühen 60er Jahren gegraben. Ab Ende der 60er kamen die DDR-Grenztruppen den Tunnelbauern oft mit Ortungssystemen auf die Schliche. Viele wurden aber auch verraten. Nur 19 Tunnelfluchten waren erfolgreich, mehr als 300 Menschen gelang damit immerhin die Flucht aus der DDR. Der Bau des letzten Tunnels scheiterte 1984.

Der Verein Berliner Unterwelten bietet eine Führung zu dem Thema an. (taz)

Infos: berliner-unterwelten.de

Wie ging es dann weiter?

Herr Dressler hat das Gebiet im Dezember drei Tage lang mit seinen Leuten untersucht. Dabei hat er alte Schuppenfundamente des früheren Güterbahnhofs freigelegt. Das Gelände des Mauerparks war 1860 ja ein Güterbahnhof – der frühere Nordbahnhof. Dressler ist auf die Grenze spezialisiert. Er kannte das Buch von Dietmar Arnold über die Tunnel an der Grenze.

Sie sprechen von dem Vorsitzenden des Vereins Berliner Unterwelten?

So ist es. In einem von Arnolds Büchern gibt es eine Skizze, die den alten Verlauf der Grenze aus Sicht von Zeitzeugen beschreibt. Dazu gehört auch die ungefähre Lage von Tunneln. Dressler ist dann mit Pinseln, Besen und Spachteln auf Knien herumgerutscht. In dem weißen Sand unter den Schuppenfundamenten hat er geometrisch exakt abgezirkelt dunklen Sand gefunden, in einer Breite von 1,30 mal knapp 3 Metern.

Das war der Zugang zu einem früheren Tunnel?

Stephan Natz, 53, ist seit 1997 Sprecher der Berliner Wasserbetriebe.

Auf alle Fälle hat man von dort aus begonnen, einen Tunnel zu graben.

Vor dem Gebietsaustausch befand sich die Stelle auf Westseite?

Das macht die Sache ja so speziell, weil die meisten Tunnel von der Ostseite in Richtung Westen gegraben wurden. An dieser Stelle aber ist begonnen worden, drei Tunnel in den Osten zu graben. Einen davon hat man nun entdeckt. Das Ziel war wohl ein Haus in der Oderberger Straße.

Wurde der Tunnel vollendet?

Die Buddler sind wohl nicht direkt bis an das Haus herangekommen. Entweder wurde der Bau verraten oder er wurde bemerkt.

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