der rote faden
: Ich kenn das,
ich komm aus Österreich

Foto: privat

Durch die Woche mit Robert Misik

Ich war mal wieder ein paar Tage in Deutschland unterwegs und habe eine Reihe deprimierter Leute getroffen. „Die Einschläge kommen näher“, sagte einer. Damit meinte er nicht nur, dass ihr Deutschen jetzt auch mit der AfD eine rechtsradikale Partei im Bundestag habt, sondern so das gesamtgesellschaftliche Klima.

Die Gereiztheit, die Hassposter. Die Gespräche im Bekanntenkreis. Dieses Grundgefühl, dass es eine abschüssige Bahn gibt, auf der sich alles bewegt – und nicht zum Besseren.

Die politische Gesamtkonstellation, mit einer Merkeldämmerung in der Union, einer gebeutelten SPD, die aber wohl beide wieder gemeinsam regieren müssen, da, wenngleich eine Groko schlecht ist, alles andere noch schlechter wäre.

Merkeldämmerung

Diesen Verdacht, der eigentlich eine Gewissheit ist, dass „das Schlimmste verhindern“ auf absehbare Zeit die einzige Aussicht ist, bis es halt dann dennoch kommt, „das Schlimmste“.

Diese gewisse Deprimiertheit frisst sich dann überall hinein. Muss man mir nicht sagen. Hallo, ich kenn das. Ich komm schließlich aus Österreich. Wir sind da bloß diesen einen Wimpernschlag weiter.

Ich bin ja jetzt wieder Opposition, was gar nichts macht, weil da kenn ich mich aus. Als linker Autor bist du ohnehin immer Opposition. Ich hab auch so eine Art Oppositions-Gen. Es mag ja Leute geben, auch unter Linken, die sich als Regierende wohler fühlen. Als Autor musst du aber ohnehin immer Opposition sein, wenn du wahrhaftig bleiben willst, aber außerdem fühle ich mich auch als Person viel besser, wenn ich angreifen kann.

Wimpernschlag

Und mit der Regierung, die wir jetzt haben, bin ich ja noch in viel eminenterer Weise Opposition, als ich das sonst bin. Dieser Rechts-Rechtsradikalen-Regierung gegenüber ist ja nur elementare Gegnerschaft angebracht, und das ist schon etwas anderes als diese Art „normalen“ Oppositionsgefühls, das man beispielsweise gegenüber der Helmut-Kohl-Regierung in den achtziger und neunziger Jahren hatte.

Es ist herrlich, sage ich Ihnen. Nach nur einem Monat im Amt hat sich diese Regierung praktisch schon zerlegt. Einen Monat ist es her, als Sebastian Kurz, damals noch mit dem Image des Strahlemanns ausgestattet, seinen Koalitionsvertrag mit der rechtsradikalen FPÖ schloss. Und praktisch vom ersten Tag an begann es, die Regierung zu schleudern.

Entgegen all ihren Wahlversprechen wurde gleich einmal ein neoliberales Hartz-IV-Programm im Regierungspakt festgeschrieben, das Arbeitslose recht bald, also nach rund einem Jahr (Details sind noch umstritten), in die Mindestsicherung abstürzen lassen wird. Dann greift der Staat sofort auf Vermögen zu, also auf Sparbücher, Auto, etwaige Einfamilienhäuser.

Wahlbetrug

Die FPÖ brachte das natürlich sofort ins Trudeln, deren Wähler jetzt sagen, „ich wollte ja nur weniger Ausländer, jetzt nimmt mir die Regierung das Auto weg“. Nichts von diesen Plänen war im Wahlkampf angekündigt, Sebastian Kurz versprach eine wolkige „Zeit für Neues“, ohne konkret zu werden. Hätten sie ihre Pläne angekündigt, wären sie nie gewählt worden. Man muss nicht sehr viel zuspitzen, um das „Wahlbetrug“ zu nennen.

Die eigene Sozialministerin, die vehement gegen sozialen Kahlschlag ist, haben sie schon demontiert und degradiert, sodass man richtig Mitleid mit der armen Frau bekommt. Schön ist auch, dass die Regierung, um ihren Plan das Kindergeld für Arbeitsmigranten zu kürzen, deren Kinder in der Slowakei oder Bulgarien leben, europarechtlich wasserdicht zu machen, nun einfach das Kindergeld generell indexieren will – auch für Österreicher und Österreicherinnen. Das wird lustig, wenn den Friseurinnen im Waldviertel die Kohle gekürzt wird und dafür die Banker in der Wiener Innenstadt mehr bekommen, weil da ja die Lebenshaltungskosten höher sind.

Gurkentruppe

Ich darf Ihnen im Geheimen verraten, dass ich manchmal zu Hause sitze und mir vor Vergnügen auf die Schenkel klopfe angesichts der Ideen dieser Gurkentruppe.

Und dann kommen ja noch die täglichen Nazi-Skandale der Regierung dazu. Ein Innenminister, der Flüchtlinge in Lagern oder ähnlichen Anhaltezentren „konzentriert halten“ will, und sich dann wundert, warum er negative Schlagzeilen bis zur BBC und der New York Times produziert. Ein FPÖ-Spitzenkandidat bei den anstehenden Landtagswahlen, der einer Burschenschaft als Vizechef vorsteht, zu deren Liedgut Nazi-Songs mit Textzeilen zählen wie „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.“ Und, und, und. Die Desasterliste dieses ersten Monats allein ist schon endlos.

Sebastian Kurz ist nur fünf Wochen nach seiner Angelobung schon wieder rücktrittsreif. Das soll ihm mal jemand nachmachen. Ein solches Maß an Unfähigkeit habe ich nicht erwartet. Es ist herrlich.

Nächste Woche Klaus Raab