Wie brüllt so ein Löwe eigentlich?

Der Psychothriller-Debütfilm „Freddy/Eddy“der Berliner Regisseurin Tini Tüllmann

Finkenwirthhebt den Filmin waschechte Trash-Gefilde!

Von Dennis Vetter

„Freddy/Eddy“ ist das Langfilmdebüt der ehemaligen Studentin der Kunsthochschule für Medien Köln, Tini Tüllmann, die mit Schein und Sein als Zugang zum Fantastischen und Unheimlichen spielen will. Und mit der Irritation, die sich aus Verwechslungen ergeben kann, sowie der manipulativen Kraft von Imitationen. Ein Psychothriller, der entsprechend auch als Imitation von Genretraditionen gelten muss – eine unterstützenswerte Wahlverwandtschaft, denn an inspirierenden Vorlagen mangelt es ja nun in dieser Traditionslinie des Kinos nicht.

Das fade Ergebnis ähnelt in der Form aber leider den unangenehm vertrauten Vorabend-Krimis des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Tüllmann positioniert sich damit ausgerechnet auf die tristeste Art und Weise zum hierzulande ja ohnehin schon stark eingetrübten Genrebegriff: nämlich gar nicht. Das ist umso enttäuschender in Anbetracht des vergleichsweise hohen Niveaus, auf dem in Köln derzeit zum Kino gelehrt wird, unter anderem von Videokünstler Phil Collins oder Kamerafrau Sophie Matigneux.

Im Zentrum des Films steht Eddy („unsympathisch“: Felix Schäfer), der im Leben des erfolglosen Künstlers Freddy („sympathisch“: Felix Schäfer) auftaucht und sein Zwilling sein könnte. Freddy wird von den Medien nach einem Ehestreit als Frauenschläger gepeitscht und ihm droht, das Sorgerecht für seinen Sohn zu verlieren. Seine Bilder seien nichts mehr wert, erklärt ihm seine garstige Galeristin (schafft leider nicht den äußerst angebrachten Sprung ins Sarkastische: Katharina Schüttler). Eddy räumt mit der Situation auf und präsentiert sich als Kehrseite Freddys, eine Art Racheengel. Ein Kerl, der andere gerne unterbuttert, bis hin zur Demütigung. Entsprechend dauert es nicht lange, bis sich in Freddys Umgebung ganz reale Übergriffe häufen.

In der Tat ist „Freddy/Eddy“ ganz wortgetreu ein Psychothriller: eine tödliche Nervenprobe. Denn der Film zeigt sich bis zum letzten Moment haarsträubend konventionell und ist besser nicht zu verwechseln mit einem gehaltvollen Genrekino, das sich als filmischer Variationsraum und als Forum unterschlagener Gesellschaftsfragen ernst nimmt. Ist der Freddy denn nun verrückt? Eine Prämisse, die bedauerlicherweise als Freibrief für den Kampf gegen nuancierte Figurenzeichnung und formale Vieldeutigkeiten missverstanden wurde. Immer wieder feuert der Film regelrechte Erklärungssalven ab und entwickelt darin eine neurotische Engstirnigkeit.

Schauspielerisch loten schon die zwei Protagonisten (oder einer?) diverse Untiefen aus. Doch auch die urfreundliche Nachbarin Paula (Jessica Schwarz) mitsamt Tochter Mizi (Greta Bohacek) sowie Freddys Halbbruder David (Alexander Finkenwirth) liefern mit hölzernen Sätzen reichlich Brennstoff. Insbesondere Letzterer wächst dabei immer wieder über sich hinaus und man möchte den Augen kaum trauen: Finkenwirth hebt den Film in waschechte Trash-Gefilde! Betörend ist dann Burghart Klaußner als Erklärbär und Psychologe Dr. Weiss, der sich souverän mit der Überzeichnung seiner Figur rettet und Freddy nebenbei fast eine interessante Szene beschert.

Der Freddy soll auf den Tisch steigen und wie ein Löwe brüllen. Aber wer kann sich so einen Löwen denn vorstellen? Keiner von beiden war schließlich in Afrika. Eine Frage der Imagination also! Dann gibt sich Freddy einen Ruck und der Quacksalber macht sich auch noch lustig. Der stumpfe Künstler ist ganz überfordert und reagiert so knatschig, dass es beinahe Spaß macht. Der Punkt wird klar: Fantasie ist nicht nur im Kino überlebenswichtig, besonders in harten Zeiten. Gut, dass das endlich jemand erklärt und gleich das Gegenbeispiel mitliefert.

„Freddy/Eddy“ ab 1. Februar im Babylon Mitte und im Eiszeitkino, jeweils 20 Uhr