Peinlich für die Niederlande

Regierung in Den Haag übersteht Misstrauensvotum nach Lügenaffäre um angebliche Putin-Worte

Aus Amsterdam Tobias Müller

Das ist für den niederländischen Premier Mark Rutte noch einmal gut gegangen: Trotz des Skandals um die Lügen seines ehemaligen Außenministers überstand Rutte am Dienstagabend ein Misstrauensvotum mit 101 zu 43 Stimmen.

Am selben Tag hatte Halbe Zijls­tra von der rechten Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) seinen Rücktritt vom Amt des Außenministers erklärt. Grund: Es war aufgeflogen, dass Zijlstra jahrelang fälschlich behauptet hat, im Jahr 2006 als Gast des russischen Präsidenten Wladimir Putin in dessen Ferienhaus gehört zu haben, wie dieser von seinen „Großrussland-Plänen“ gesprochen habe. Das war aber erfunden, wie Zijlstra am Montag zugeben musste.

Obwohl der niederländische Regierungschef das Misstrauensvotum – trotz der hauchdünnen Parlamentsmehrheit seiner Koalition – überstanden hat, steckt er nun in einiger Bedrängnis: Mit Zijlstra verliert seine Koalition nicht nur eine Schlüsselfigur. Inzwischen ist auch bekannt, dass der Premier seit zwei Wochen unterrichtet war. Zu Wochenbeginn hatte Rutte noch gesagt, der Minister könne trotzdem im Kabinett bleiben. Weil er inhaltlich recht hätte, sei er „noch glaubwürdig“. Doch dass Putin bei dem angeblichen Treffen in seiner Datsche 2006 über vermeintliche großrussische Ambitionen sprach – ein Territorium inklusive „Weißrussland, Ukraine, die baltischen Staaten und Kasachstan sei nice to have“ – hat aber inzwischen Ex-Shell-CEO Jeroen van der Veer abgestritten. Zwar hat van der Veer gegenüber der Tageszeitung Volkskrant erklärt, er habe sich zum fraglichen Zeitpunkt mit Putin über „Großrussland“ unterhalten und Zijlstra davon berichtet. Der Politiker habe die im historischen Sinn gemeinten Worte Putins „aggressiver“ interpretiert. Bei einem Parteikongress 2016 hatte Zijlstra mit der Anekdote seine Warnung vor russischem Expansionsdrang unterstrichen.

Die niederländisch-russischen Beziehungen sind spätestens seit dem Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 im Sommer 2014 schwer beschädigt. Den Haag beschuldigt prorussische Separatisten in der Ost­ukraine. Laut einer internationalen Untersuchungskommission erhielten diese dabei logistische Unterstützung von Russland.