Der putzfidele Pepita-Hut

Die deutschen Eishockeyspieler glauben nach dem Zittersieg gegen Norwegen daran, dass sie bloß einige Wenns überwinden müssen, um an lange zurückliegende, aber glorreiche Zeiten anzuknüpfen

„Wir wollen Dinge schaffen“: Christian Ehrhoff jagt den Puck und die Schatten der Vergangenheit Foto: ap

Aus Gangneung Florian Haupt

Wenn man der deutschen Nationalmannschaft beim Eishockey zuschaut, erinnert das oft an die dunkleren Zeiten des deutschen Fußballs. Das Spiel ist physisch auf höchstem Niveau und taktisch mehr als ordentlich, die Abwehr steht in aller Regel. Aber mit der Technik, auf den Schlittschuhen wie mit der Kelle, ist es so eine Sache, und mit der Inspiration auch. Seit Generationen stagniert man mal mehr, mal weniger, aber immer zuverlässig hinter der ebenfalls immer gleichen Weltspitze aus Kanadiern, Russen, Tschechen und Skandinaviern.

Bei Olympia zeigte die aktuelle Mannschaft von Trainer Marco Sturm zuletzt aber eine andere Eigenschaft, die im Fußball als urdeutsch bezeichnet würde. So unerschütterlich wie die Kicker im Elfmeterschießen entschieden die DEL-Profis im abschließenden Gruppenspiel gegen Norwegen einen Shootout für sich. Gleich die ersten drei Penaltys wurden verwandelt – eine Rarität im Eishockey.

Auch sonst war es historisch: der erste deutsche Sieg bei Olympia seit Salt Lake City 2002. „Wann? Was? 16 Jahre?“ Torsteher Danny aus den Birken konnte es gar nicht glauben, und das ist ja vielleicht gar kein schlechtes Zeichen: Offenbar spielen die Dämonen vergangenen Scheiterns im Team keine große Rolle, und angesichts der gruseligen Bilanz zuletzt – inklusive der verpassten Qualifikation für Sotschi 2014 – kann sie in jedem Spiel neue Meilensteine setzen.

Im Playoff zum Viertelfinale am Dienstag gegen die Schweiz allen voran, dem Match, das die Mannschaft „als wichtigstes der Olympiade“ (aus den Birken) einstuft. Ein Sieg wie zuletzt im Test gegen denselben Gegner (2:1), und das Turnier wäre definitiv ein Erfolg. Wohl der maximale, denn mehr als das Viertelfinale scheint ausgeschlossen. Der Einzug in die Runde der letzten Vier gelang einer deutschen Mannschaft zuletzt bei Olympia 1976 – als mit Trainer Xaver Unsinn die Bronzemedaille in Innsbruck gewonnen wurde. Unmöglich, das zu wiederholen. Oder etwa nicht?Seit dem Zittersieg gegen Norwegen üben sich die Deutschen in Zuversicht. „Es ist einiges möglich, wir wollen Dinge schaffen“, sagt aus den Birken. Patrick Hager, Schütze des einzigen Tores der regulären Spielzeit, ergänzt: „Wir haben schon gegen die Schweden gemerkt, dass wir einen Tick besser waren.“ Da hatten die Deutschen unglücklich 0:1 verloren, aber viermal den Pfosten getroffen und mehr Torschüsse als der Gegner abgegeben – wie schon beim 2:5-Auftakt gegen Finnland.

„Nimmt man mal diese zwei Skandinavier weg und die Russen, dann ist der Rest auf Augenhöhe“, verkündete Hager angesichts des Fehlens der NHL-Stars, das in der Vorrunde für viele Überraschungen sorgte. „Wir wissen genau, wenn wir unser Eishockey spielen, wenn wir die paar Kleinigkeiten richtig machen, vorne effizient unsere Chancen nutzen und vielleicht im Powerplay ein bisschen zulegen, dann haben wir gegen jede eine Chance.“ Das sind natürlich viele Wenns, vor allem das mit der Chanceneffizienz, denn auch die gehört zu den historischen Schwachstellen der Deutschen. Aber jede Nachfrage nach den Abschlussproblemen wischt Kapitän Marcel Goc energisch beiseite. „Das hört sich ziemlich negativ an“, monierte er. Warum die Spieler erst bei den Penaltys trafen? „Ja, Entschuldigung …“

Hager wiederum bot immerhin eine Erklärung an: „Weil vielleicht keine fünf Gegner im Weg stehen. Und weil die Eismaschine vorher noch das Eis abzieht und du dir vorher noch deinen Plan und deinen Move zurechtlegen kannst.“ Ist ja auch egal, im Idealfall, so der Plan, ist jetzt der Knoten geplatzt. Bundestrainer Marco Sturm postulierte: „Diese Lockerheit brauchen wir jetzt auch beim Spiel fünf gegen fünf.“

Sollte es gar noch idealer laufen, dann werden diese Penaltys zum deutschen Mythos. Zu einem weiteren, denn Sturm versteht sich eh auf die Legendenbildung. Ein Pepita-Hut dient als Wanderpokal für den besten Spieler der Partie. Sturm ließ ihn eigens aus dem deutschen Eishockey-Museum holen. Es ist der Hut, den sein legendärer Vorgänger Xaver Unsinn damals 1976 trug.