eu-haushalt
: Giftige Geldspritzen

Ein umweltfreundliches Europa braucht eine entsprechende Finanzpolitik

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Jörg-Andreas Krüger

Jahrgang 1968, ist Direktor des Bereichs Ökologischer Fußabdruck beim WWF. Der Diplom-Landschaftsarchitekt war zuvor lange Jahre beim Nabu in Sachen Naturschutz und Umweltpolitik tätig.

An diesem Freitag diskutieren die Regierungschefs in Brüssel über den EU-Haushalt für den Zeitraum von 2021 bis 2027. Der sogenannte Mehrjährige Finanzrahmen ist heiß umstritten und hart umkämpft. Das gilt mehr denn je, seit feststeht, dass der Brexit Milliardenlücken reißen wird. Die Rede ist von bis zu 14 Milliarden Euro jährlich. Womit die Löcher stopfen, fragen sich nicht nur EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Gleichzeitig liegen viele notwendige Aufgaben vor der EU, die Finanzmittel benötigen – sei es die Hilfe für Geflüchtete, die Digitalisierung Europas oder die Stärkung von Bildung und Forschung. Im Fokus vieler Überlegungen zu möglichen Kürzungen und Umschichtungen steht daher der EU-Agrarhaushalt. Denn die Europäische Union nimmt eine Menge Geld in die Hand, damit in Frankreich, Deutschland, Polen, Irland und Co weiter Landwirtschaft betrieben wird: Von 2014 bis 2020 fließen 420 Milliarden in den EU-Agrartopf. Das sind für diesen Zeitraum fast 40 Prozent des gesamten EU-Budgets. Ende 2020 endet auch der laufende Zyklus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Wie und für was die Gelder danach an die Landwirte verteilt werden sollen, ist derzeit ebenfalls ein Dauerbrenner auf Brüsseler und Straßburger Fluren.

Spätestens im Angesicht von Brexit und wachsender Europamüdigkeit muss jeder Cent des Agrarhaushaltes effizient und zum Wohle aller EU-Bürger eingesetzt werden. Aktuell ist das nur bedingt der Fall. Nicht einmal die Landwirte selbst profitieren ausgewogen von den Zahlungen. Die Europäische Kommission kam jüngst zu dem Fazit, dass 80 Prozent der Direktzahlungen bei nur 20 Prozent der Bauern landen. Das Gros der unmittelbaren Zuschüsse, 41 Milliarden jährlich, wird pro bewirtschafteten Hektar ausgezahlt. Diese Finanzspritzen landen überproportional bei Betrieben mit viel Fläche. Sie werden dafür belohnt, viel Land zu haben. Allein in Deutschland halbierte sich im vergangenen Vierteljahrhundert die Zahl der Höfe. Im EU-Raum gaben von 2007 bis 2013 drei Millionen Betriebe auf. Nur der Anteil der über 100 Hektar großen stieg an. Aus sozialer Sicht ist das eine miserable Bilanz für ein üppig finanziertes Instrument, das möglichst vielen der noch wirtschaftenden Bauern in der EU das Überleben sichern soll.

Bleibt die Frage, was der EU-Agrarhaushalt derzeit zum Wohle aller bewirkt. Die europäischen Mitgliedsstaaten haben eine Reihe bindender Vereinbarungen zum besseren Schutz von Klima, Wasser, biologischer Vielfalt und Boden – oft mit quantitativen Zielen. Im Idealfall unterstützen die Agrarfinanzspritzen deren Erreichen, denn Landwirtschaft spielt hier überall eine zentrale Rolle.

Dem gegenüber steht der traurige Status quo: EU-weit ist seit 1980 jeder zweite in der Agrarlandschaft beheimatete Vogel verschwunden. In Deutschland sank die Masse von Fluginsekten wie Hummel, Biene oder Falter in den letzten 30 Jahren um durchschnittlich 76 Prozent. Länder wie Spanien, Griechenland, Polen, Frankreich oder auch Deutschland hatten oder haben Probleme mit der Einhaltung der EU-Nitratrichtlinie. Deutschland schafft es seit 15 Jahren nicht, die Grenzwerte einzuhalten. Zu viel Gülle und synthetische Dünger landen auf Wiesen und Äckern. Zuletzt wurde bekannt, dass Deutschland sein EU-2020-Klimaziel nicht erreicht.

Wir können es uns nicht leisten, dass die EU landwirtschaftliche Strukturen und Systeme finanziert, die EU-Umweltschutzziele konterkarieren. Die Geldspritzen aus Brüssel sind Gift für die Umwelt. An der ökologischen Negativbilanz der europäischen Landwirtschaft ändern auch jene Gelder nichts, die seit der letzten Agrarreform für sogenannte Greeningmaßnahmen bereitstehen. Der Europäische Rechnungshof bescheinigt diesen eine zu geringe Wirkung.

Der soziale wie ökologische Neustart der europäischen Landwirtschaftspolitik ist überfällig. Die EU-Vergleichsmaßstäbe in den Bereichen Klimaschutz, Erhalt von Biodiversität und Schutz von Wasser und Boden müssen die ökologische Messlatte sein für die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020. Mindestens 50 Prozent der GAP-Subven­tio­nen sollten Landwirte bei Maßnahmen unterstützen, die helfen, diese Maßstäbe zu erfüllen.

Weisen einzelne Mitgliedsstaaten keine schlüssigen Pläne nach, welche die EU-Ziele und deren Erreichung messbar auf nationale Ebene herunterbrechen, sollten GAP-Zahlungen gekürzt werden. Zu einer sinnvollen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik gehört, rein flächenbezogene Zahlungen abzuschaffen, wenn sie nicht auf die EU-Umweltziele ausgerichtet sind. In die Praxis übersetzt heißt das, dass Landwirte nur Förderung erhalten, wenn sie zum Beispiel nachweislich den Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngern senken, auf vielfältige Fruchtfolgen setzen oder Grünflächen erhalten. Immer mehr Landwirte tun dies; sie müssen dafür belohnt werden. Agrarkommissar Hogan hat zwar Pläne vorgelegt, um die EU-Agrarpolitik stärker auf die EU-Umweltziele auszurichten. Unklar ist aber noch, wie die Ziele auf nationaler Ebene erreicht werden und wie verbindlich die Mitgliedsstaaten an diese Zielerfüllung gebunden sind.

Zu einer sinnvollen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik gehört, rein flächenbezogene Zahlungen abzuschaffen

Die EU will mehr sein als ein Wirtschaftsraum. Europapolitiker und EU-Kommissare sprechen gerne von verbindenden Prinzipien, Werten und Zielen. Dazu gehört, Umwelt und Natur zu schützen. Der EU-Haushalt muss dies widerspiegeln – auch jenseits des Agrarhaushalts. 50 Prozent des Gesamthaushaltes sollten verpflichtend auch auf Klima- und Umweltschutzziele einzahlen.

Die Regierungschefs der Mitgliedsländer haben es jetzt in der Hand: Sie können sowohl im Rahmen der gesamten Haushaltsplanung wie auch bei der Reform der GAP die Weichen für ein nachhaltiges Europa stellen. Dazu gehört eine Landwirtschaft, die für und mit der Natur arbeitet statt gegen sie.