Nachhall der Stadt

Seit 2012 lebt der italienische Pianist und Komponist Federico Albanese in Berlin – beim Hören seines dritten Albums „By The Deep Sea“ könnte man aber auch denken, er sei schon vor 89 in der Stadt gewesen. „Mauer Blues“ heißt ein Track, den man vom Titel her vielleicht mit Ton-Steine-Scherben-Sound assoziieren würde. Damit liegt man aber hier gänzlich falsch, denn Albanese spielt Musik zwischen Neoklassik, Minimal und Ambient­klängen – und seine Reminiszenz an die Teilung der Stadt klingt mit federndem Klavier und mit sanften Geigen eher wie ein vorsichtiges Herantasten an etwas, das mal war und das heute noch nachhallt.

Albanese, der in Mailand geboren und aufgewachsen ist, hat neben seinem Solowerk und seinem Projekt mit der Sängerin Jessica Einaudi („La Blanche Alchimie“) zuletzt auch viel Filmmusik komponiert, und ebenso gut könnte „By The Deep Blue Sea“ als Soundtrack fungieren.

Zum Beispiel als Begleitmusik beim Flanieren durch durch die Straßen Berlins: In „Boardwalk“ („Promenade“) geht es Albanese um die Inspiration, die er auf Stadtspaziergängen findet. Entsprechend baut sich das Stück auf, zunächst ein fast elegisches Piano, das mit zunehmender Dauer des Songs Fahrt aufnimmt und das Vorbeirasen der Großstadt in immer schnellere Klänge übersetzt. Überhaupt gelingt es Albanese in diesen zwölf Soundscapes, meist auf Klavier- und Geigenloops basierend, Spannung aufzubauen und wieder zu entladen. Die Stücke klingen klug arrangiert. Tipp: Zum nächsten Winterspaziergang mitnehmen.

Von Dara Smith war an dieser Stelle jüngst schon mal die Rede, als er mit seinem Projekt Lakker ein Album veröffentlichte („Die Vergangenheit, Die Gegenwart, Die Zukunft“). Nun hat der Ire eine neue EP als Arad vorgelegt („The Glimpse“), und auch darauf ist überwiegend sehr clevere elektronische Musik zu hören, die manchmal an Kraftwerk erinnert, die aber am besten ist, wenn sie mit extrem verstolperten Rhythmen und Breakbeats die Erwartungshaltung eines simplen 4/4-Taktes unterläuft. Vielleicht wird insgesamt der Vocoder-Effekt zu inflationär eingesetzt, aber Arad ist mit seinen vielfältigen Einflüssen aus Techno, IDM, Jungle und Ambient auf jeden Fall einer der Guten. Jens Uthoff

Federico Albanese – By The Deep Sea (Neue Meister/Edel)

Arad – The Glimpse (Bedouin Records)