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Erstgebärende brauchenpositive Vorbilder

Was macht eine gute Geburt aus? Die Autorin Martina Stubenschrott hat für ihr Buch „Schwangerschaft und Geburt – Frauen erinnern sich“ Interviews zu der Frage geführt

Eine Vertrauensperson um sich haben hilft immer Foto: F.: Andreas Hub/laif

Interview Janet Weishart

taz: Frau Stubenschrott, Schwan­gere leben heute in einer Gesellschaft, in der die Geburt zunehmend technisiert wird. Und genau das macht Erstgebärende oft ratlos. Was empfehlen Sie denen?

Martina Stubenschrott: Mein Buch ist genau aus diesem Grund entstanden. Ich möchte Frauen in der Eigenwahrnehmung stärken und Erstgebärenden zunächst einmal Geburten unter guten Bedingungen schildern. Viele Schwangere hören von Bekannten oder Freundinnen ja ausschließlich, was alles schiefgehen kann. Das verunsichert sie.

Andererseits gibt es die Entwicklung, dass Schwangeren kaum mehr über die Erfahrungen rund um die Geburt berichtet wird, um sie nicht zu beunruhigen.

Das ist das andere Extrem. So war das auch bei meiner Mutter, die mich nicht mit ihren eigenen Erlebnissen belasten wollte. Aber wenn die Geburtsgeschichten komplett fehlen, wird ebenso eine Menge Angst aufgebaut. Erstgebärende brauchen also Vorbilder für gute Geburten. Denn ihre Ängste sind so oder so existent. Das ist natürlich. Daher ist es enorm wichtig, sich eine liebevolle Hebamme als Vertrauensperson zu suchen, mit der all die Was-wäre-wenn?-Fragen besprochen werden können, wie zum Beispiel: „Was ist, wenn sich die Nabelschnur um den Hals wickelt?“, „Was tue ich bei einer Beckenendlage?“ Nur so können Befürchtungen abgebaut werden. Sich vorzubereiten ist für Erstgebärende essenziell – ebenso wie offen zu bleiben.

Was meinen Sie mit „offen“ bleiben?

Nicht jede Geburt verläuft so, wie sich das eine werdende Mutter vorher ausmalt. Wenn sie sich etwa eine Wassergeburt erträumte, aber während der Geburt das Wasser als zu heiß empfindet, dann sollte sie nicht verzweifeln. Sie muss von ihren Vorstellungen loslassen und es so annehmen, wie es kommt. Die Geburt ist ein individueller, fließender Prozess, langsam oder schnell. Jede Frau muss ihn selbst leiten, auf ihre eigene Kraft vertrauen und auf ihre innere Stimme hören. Frauen dürfen ihre Eigenwahrnehmung und -verantwortung nicht an der Geburtshaus- oder Klinik-Tür abgeben. Wer gebären will und sagt: „So, hier bin ich, macht mal“, kann keine gute Geburt haben.

Was macht denn eine gute Geburt nun aus?

Ich hatte selbst drei sehr schöne Hausgeburten. Jedoch weiß ich nach den Berichten der acht Frauen, die ich für mein Buch interviewte: Eine gute Geburt kann eine Spontangeburt, aber auch eine operative Geburt sein. Die Medizin hat ihren berechtigten Platz. Denn ohne sie kann das natürliche Ereignis Geburt in seltenen Fällen zum Tod des Kindes oder auch der Mutter führen. Ganz klar gehört zu einer guten Geburt außerdem, in jeder Phase von Menschen umgeben zu sein, die kompetent sind, aber auch liebe- und verständnisvoll, freundlich und zuversichtlich.

Es sollten also neben der Hebamme weitere Personen anwesend sein?

Ja, es hilft enorm, wenn Gebärende eine weitere Vertrauensperson um sich haben, etwa den Partner, eine Freundin oder die Mutter. Emotionen müssen ihr erlaubt sein – weinen, schreien, lachen! Jede Frau hat außerdem ein Recht auf einen geschützten Raum. Sollen etwa Assistenzärzte an der Geburt teilnehmen, muss vorher das Einverständnis der Frau eingeholt werden. Und bei medizinisch notwendigen Schritten muss ihr alles gut erklärt und Bedenkzeit eingeräumt werden. Jede Frau sollte in ihrem Tempo gebären dürfen. Das ist förderlich für positiv erlebte Geburten.

Was für einen Tipp haben Sie für die ersten drei Schwangerschaftsmonate?

Die Frau sollte sich eine Frauenärztin suchen, die ganz ähnliche Ansichten hat wie sie. Wem Kontrolle wichtig ist, der sollte ruhig zwei Vorsorgeuntersuchungen mehr machen. Wer alternative Ansätze bevorzugt, der sucht sich eine Praxis mit dieser Ausrichtung. Ähnlich ist es mit dem Geburtsort: vorher anschauen, das Personal befragen und ganz nach dem Bauchgefühl entscheiden. Am elementarsten aber ist die Hebammen-Sprechstunde, wo der ganz persönliche Blick auf die Geburt des Kindes geprägt wird, der wiederum eine stressfreie Entbindungsphase ermöglicht. Aber: Ohne Schmerzen geht es nicht!

Schmerz gehört also zu jeder Geburt dazu?

Ja. Auch mit alternativen Geburtsvorbereitungsverfahren wie Akupunktur, Medita­tionstechniken oder Hypno­birthing. Ich kenne keine Frau, die eine Geburt ganz ohne Schmerzen erlebt hat. Aber diese werden abhängig davon wahrgenommen, wie mit ihnen umgegangen wird.

Wie genau beeinflusst die Außenwelt die Beschwerden?

Es ist ähnlich wie bei Kindern. Werden diese in dem Moment des Schmerzes gestreichelt, getröstet, wird ihnen gut zugeredet, ihnen geholfen die Pein zuzulassen und zu überwinden, gehen sie gestärkt aus der Situation hervor. Aber wird der Schmerz von Hektik oder von Schuldzuweisungen begleitet, steigert das die Beschwerden. Leider leben wir in einer Gesellschaft, in der es keinen guten Umgang mit Schmerzen gibt. Dabei bekämpfen Medikamente ja nur die Symptome und nicht die Ursachen. Die Geburt wird zu oft als „Krankheit“ wahrgenommen. Sie wird gemanagt und kontrolliert. Wenn nur Risiken eine Rolle spielen, kann es aber keinen positiven Zugang zur Geburt geben.

Martina Stubenschrott(44 Jahre) ist Autorin und Familienberaterin. Ihr Buch „Schwangerschaft und Geburt – Frauen erinnern sich“ ist 2017 beim LebensGut-Verlag erschienen.