american pie
: Universeller Betrug

Die Endphase der Meisterschaft im College-Basketball wird von neuen Details eines weit verzweigten Korruptionsskandals überschattet

Alle Jahre wieder bricht sie aus, die „March Madness“. Alle Jahre wieder spielen die besten College-Basketballmannschaften der USA im März ihren Meister aus. Alle Jahre wieder werden die besten TV-Quoten vermeldet, und Wirtschaftsstatistiker melden signifikante Einbrüche der Produktivität. Und alle Jahre wieder gibt es heftige Diskussionen, ob der Zirkus nicht abgeschafft gehört. Denn, auch das kommt immer wieder: Die Skandale im Milliardengeschäft, das der Uni-Sportverband NCAA mit dem Basketball spielenden Studenten macht, reißen nicht ab.

In dieser Woche nun hat der März-Wahnsinn begonnen, und er ist sogar noch ein wenig wahnsinniger als all die Jahre zuvor. Denn der aktuelle Skandal ist dermaßen massiv, dass er über dem ganzen Turnier schwebt wie ein Damokles­schwert. Viele Mannschaften spielen nur unter Vorbehalt, einzelne Akteure und Trainer sind suspendiert. Dermaßen unter Beschuss ist der College-Basketball, dass sich auch der momentan beste Basketballspieler der Welt und ein ehemaliger US-Präsident fanden, sich dazu äußern zu müssen. LeBron James sprach aus, was viele denken: „Dass die NCAA korrupt ist, weiß man ja.“ Und Barack Obama teilte mit, eine Neuorganisation des Universitäts-Basketball sei unvermeidlich – und präsentierte auch gleich eine Reformidee.

Bereits im September wurde bekannt, dass das FBI Korruption, Unterschlagung, Betrug und andere Vergehen im College-Basketball untersucht. Aufgedeckt wurde ein verzweigtes Netz aus Agenten, Trainern und Funktionären, das illegal Millionen von Dollar verschob. Im Zentrum: adidas. Die Verwicklung des fränkischen Unternehmens in den Skandal wird weiter untersucht.

Nun wurden allerdings neue Details öffentlich. Bei der Überwachung des Büros des Agenten Andy Miller, der gute Verbindungen zu adidas hatte, wurden E-Mails und Bestechungslisten sichergestellt, die zeigen, dass viel mehr Universitäten und Spieler Dreck am Stecken haben, als bislang vermutet wurde. Zu mindestens 20 Colleges hatte Miller Verbindungen, darunter Duke, Kentucky, Michigan State oder North Carolina, wo einst Michael Jordan spielte: Insgesamt 21 Meistertitel haben diese vier Schulen gewonnen, ruhmreichere Adressen gibt es nicht im College-Basketball. Und mehr als 25 noch an Colleges aktive Spieler sollen illegale Zahlungen von Millers Agentur erhalten haben, darunter mit Miles Bridges (Michigan State), Collin Sexton (Alabama) und Wendell Carter (Duke) einige der größten Stars. Indirekt ist auch Dirk Nowitzki betroffen: Dennis Smith Jr., sein Teamkollege bei den Dallas Mavericks, steht auch auf den Listen von Miller. Der Aufbauspieler, der zum neuen Mavs-Star aufgebaut wird, soll in seiner Collegezeit unter der Hand 73.000 Dollar bekommen haben.

Das Problem ist: Collegesportler sind offiziell Amateure, die angeblich nur zum Ruhm ihrer Universität und für ein Stipendium Basketball spielen. Sie dürfen weder nebenbei jobben noch Geschenke annehmen, ja eigentlich nicht einmal Kontakt zu Spieleragenten haben. Die Milliarden aber, die die NCAA mit Fernsehverträgen einnimmt und an die Universitäten ausschüttet, haben dafür gesorgt, dass eine Schattenwirtschaft entstanden ist.

Nun werden die Rufe immer lauter, das kranke System zu ändern. Viele fordern, dass die Spieler, die das Geld verdienen, künftig auch bezahlt werden müssen. Nur: Wie das geregelt werden soll, dafür hat niemand einen praktikablen Vorschlag. Sicher ist immerhin: Das System Collegesport wird sich grundsätzlich erneuern müssen. Thomas Winkler