Kommentar Anti-Schusswaffen-Proteste: Es liegt in ihrer Macht

Die Schüler, die für härtere Waffengesetze demonstrieren, haben eigentlich kaum Einfluss. Doch der Druck, den sie ausüben, ist gewaltig.

Mit erhobener Faust und Transparenten auf denen "Books not Bullets" steht blockieren Schüler einen Platz

Die US-Schüler könnten das Land auf lange Sicht grundlegend verändern Foto: dpa

Es sind Hunderttausende Schülerinnen und Schüler, die am Samstag in den gesamten USA auf die Straße gehen werden. Ausgerechnet sie, die bislang noch nicht einmal wählen durften, haben das Zeug, in die seit Jahren komplett festgefahrene Debatte über Schusswaffenkontrolle endlich Bewegung zu bringen.

Denn der Druck, den sie ausüben, ist von der mächtigen National Rifle Association, der organisierten Schusswaffenlobby, nicht so leicht wegzuschieben. SchülerInnen, zum Teil noch nicht einmal in der Pubertät, die für ihre Sicherheit auf die Straße gehen, lassen sich nicht gut beschimpfen.

Das hat gerade auch ein republikanischer Kandidat für das Repräsentantenhaus in Maine erfahren müssen: Er nannte die Schülerin Emma Gonzalez, eine Überlebende des Schulmassakers von Florida, die durch ihre berührende Rede bei einer der ersten spontanen Demonstrationen weltweite Beachtung gefunden hatte, eine „kahlköpfige Lesbe“, die ihn nicht weiter beeindrucke. Zwei Tage später musste er von seiner Kandidatur zurücktreten.

Es wäre vermessen anzunehmen, dass die Proteste der SchülerInnen sofort zu einem kompletten Umdenken führen und die Gesetze geändert werden. Auch nach dem Grundschulmassaker von Sandy Hook 2012 gab es Proteste, und damals war es sogar der Präsident selbst, Barack Obama, der versuchte, aus dem Weißen Haus eine Bewegung zu strengerer Schusswaffenkontrolle zu starten. Vergeblich. Selbst in seiner eigenen Demokratischen Partei gab und gibt es zu viele Abgeordnete und Senatoren, die glauben, ihre Wiederwahl hänge vom Geld und den guten Noten der Waffenlobby ab.

Wer hier demonstriert, wird das mit ins Leben tragen

Dazu ein Gegengewicht zu bilden, ist die Aufgabe, der sich die neue Bewegung gegenübersieht. Und das ist auch ein Lehrstück darüber, ob die US-amerikanische Demokratie funktioniert – oder warum eben nicht. Alle, die sich jetzt an den vielen Kundgebungen und den Großdemonstrationen des kommenden Wochenendes beteiligen, werden daraus Lektionen fürs Leben lernen. Das haben Jugendbewegungen an sich.

Vom Erfolg dieser Bewegung hängen nicht nur Menschenleben ab, wenn es darum geht, zukünftige Massaker zu verhindern. Davon hängt auch ab, ob diese jungen Leute mit dem Gefühl in ihr politisches Erwachsenenleben starten, dass Engagement etwas zählt. Oder eben nicht.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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