Senat blockiert Genuss-Genossen

Händler wollten den Großmarkt an der Beusselstraße übernehmen. Doch der Senat hat das abgelehnt

Das Eigenkapital von 3,5 Millionen Euro für die Investitionen der ersten Stufe war schon vorhanden

Von Manfred Ronzheimer

Die Genossenschaftsvision für den Lebensmittelgroßmarkt in der Beusselstraße ist geplatzt. Völlig überraschend gab Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) vorige Woche bekannt, dass der Senat das Marktareal am Westhafen doch nicht in einem Erbbaupachtvertrag an die Händlergemeinschaft vergeben wolle. Das Land will den maroden Großmarkt vielmehr in eigener Regie modernisieren. Im Abgeordnetenhaus wurde daraufhin bei der Plenarsitzung am Donnerstag ein runder Tisch zur Lösung der verfahrenen Situation ins Gespräch gebracht.

Der Hintergrund: Seit dem Sommer hatte eine Initiative von Händlern – die „Interessengemeinschaft Lebensmittel- und Frische­cluster Berlin (IG LFC)“ – an einem Konzept gearbeitet, um die notwendige Sanierung des Großmarkts selbst vorzunehmen. Für die veranschlagten 90 Millionen Euro sollte das Gelände, das jetzt von der landeseigenen Berliner Großmarkt-GmbH betrieben wird, für 40 Jahre in Erbbaupacht an die Händlergenossenschaft aus Anbietern und Lieferanten von Obst, Gemüse, Fleisch, Blumen, Fisch, Meeresfrüchten und Molkereiprodukte übertragen werden.

Anfang Februar wurde dem Senat das Konzept überreicht, ergänzt um einen weiteren Plan der Kreuzberger Markthalle Neun zur Etablierung eines Schwerpunkts für das regionale Lebensmittelhandwerk in Moabit. Alles schien auf einen gemeinsamen Gesprächsprozess zwischen Händlern und Senat zuzulaufen, der bis kommenden Sommer abgeschlossen sein sollte.

Am Montag ließ Wirtschaftssekretär Henner Bunde im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses dann die Bombe platzen. Ein Moratorium zum Abriss einer maroden Fleischhalle auf dem Gelände müsse jetzt gestoppt werden, teilte Bunde mit. Den Abriss hatte die Großmarkt GmbH beantragt, was aber bis zum Abschluss der Gespräche mit den Händlern aufgeschoben worden war.

Wie sich im Ausschuss herausstellte, hatte sich die Politik längst gegen den LFC-Vorschlag entschieden. Später begründete Senatorin Pop die Entscheidung damit, dass der Berliner Großmarkt „Teil der Daseinsvorsorge“ sei, die der Senat gewährleisten müsse. Deshalb müsse er in öffentlicher Hand bleiben.

„Das Land Berlin ist zum jetzigen Zeitpunkt, wie ich die Willensbilung im Senat erkenne, nicht unbedingt willens, Teile des Großmarkts abzugeben“, sagte die Senatorin. Man sei aber „sehr offen für eine partnerschaftliche Gestaltung des Großmarktes in der Zukunft.“ Vor allem die beiden Senatsverwaltungen für Finanzen und Stadtentwicklung hatten dem Vernehmen nach gegen eine Erbbaupacht votiert.

Die Großmarkthändler fielen aus allen Wolken. „Wir sind überrascht und irritiert“, sagte LFC-Sprecher Dieter Krauß. „Alle bisherigen Gespräche mit dem Senat seit Juni 2017 sowie der zeit- und kostenintensive Prozess der Konzeptentwicklung basierten auf dem beiderseitigen Verständnis, dass ein Erbpachtvertrag grundsätzlich möglich ist“, erklärte der Chef von Fruchthof Berlin.

Positive Signale aus dem Bezirk

Es gebe offenbar unterschiedliche juristische Einschätzungen. So habe der Baustadtrat des Bezirks Mitte in einem Schreiben „explizit die Genehmigungsfähigkeit unseres Konzeptes bestätigt“, so Krauß. Auch das Finanzierungskonzept sei von drei unterschiedlichen Banken geprüft und „als realistisch und umsetzbar eingestuft“ worden. Nicht zuletzt sei das erforderliche Eigenkapital von 3,5 Millionen Euro für die Investitionen der ersten Stufe schon auf ein Notaranderkonto eingezahlt worden.

Auch Florian Niedermeier, Sprecher der Markthalle Neun, reagierte enttäuscht auf die Ablehnung der Vorschläge zur Umsetzung einer „regionalen ernährungspolitischen Vision am Großmarkt“. Jetzt stelle sich die Frage: „Wo und vor allem wann soll denn die neue Berliner Ernährungsstrategie eigentlich umgesetzt werden?“