Heimweh haben sie alle

Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven befragt Studierende aus Osnabrück, Oldenburg und dem Land Bremen zu ihrem Umgang mit dem Gefühl

Von Benno Schirrmeister

Für eine Studie sucht das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven, Bremen, Oldenburg oder Osnabrück nach Studierenden, die nicht an ihrem Hochschulort aufgewachsen sind: Untersucht werden soll mit Interviews die Schweizerkrankheit – das Heimweh.

Als das Leiden im 17. Jahrhundert erstmals als Krankheit beschrieben wurde, dachte man, nur Schweizer bekämen sie – und ein tödlicher Ausgang dieses morbus helveticus sei nahezu unvermeidlich. 250 Jahre später vermutete der Oldenburger Philosoph Karl Jaspers einen Zusammenhang von Heimweh und Verbrechen: Er stützte das auf eine Reihe von Fallbeispielen von Kindermädchen, die zu Mörderinnen geworden waren. Weil sich kein Motiv gefunden hatte, war Heimweh als Tatursache unterstellt worden. Alle diese Annahmen haben sich empirisch nicht bestätigt.

Zugleich erweisen sich die Vorstellung von Heimweh, seine gesellschaftliche Rolle und die Erscheinungsformen des monomanen Blicks aus der Fremde auf den eigenen Herkunftsort als mindestens so wandelbar wie das Konzept Heimat selbst. Aktuelle Berichte deuten darauf hin, dass die Heimwehkrankheit gerade gegenwärtig stark mit Scham besetzt ist: In einer globalisierten Welt, deren Arbeitsmarkt hohe Ansprüche an die Flexibilität der Einzelnen hat, löst derjenige, der ständig nach Hause zurück will, schnell Befremden aus.

Als interessant bewertet das Auswandererhaus das Thema, weil es Menschen mit und ohne Migrationserfahrungen verbinde: Deswegen spielt auch für die Untersuchung die Entfernung zum Heimatort keine Rolle. „Wenn ein Studierender in Bremen aus Oldenburg oder Osnabrück stammt, ist das für uns genauso gut, wie wenn er von weiter weg kommt“, sagte eine Museums-Mitarbeiterin der taz.

In den Interviews sollen die Studierenden berichten, wann bei ihnen Heimweh auftritt und welche Rolle die Sozialen Medien dabei spielen. Interessierte können sich über die Internet-Seite des Auswandererhauses melden.