berliner szenen
: Ruhe in Pudding, Dieter Kunzelmann

Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“, so hieß es einst, in den goldenen Zeiten, als man mit Puddingattacken noch den Springer-Konzern zur Weißglut treiben konnte. (Ruhe in Frieden und Pudding, Dieter Kunzelmann!) Und wie ist das heute? Das kann ich Ihnen sagen, und glauben Sie mir, ich war ähnlich schockiert, wie Sie es gleich sein werden. Das Establishment möchte nämlich auch nicht mehr monogam leben. Zumindest muss man davon ausgehen, wenn die Information, die ich soeben erhielt, der Wahrheit entspricht.

Allerdings hat der junge Mann vor mir einen guten Ruf, und es gibt keinen Grund, warum er mich anlügen sollte. Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Jetzt kommt’s: Es gibt ein Promi-Tinder! Also eine Datingplattform nur für Prominente oder solche, die es sich leisten können, prominent zu erscheinen. Mein Gegenüber bittet mich darum, ihm einen Account auf dieser App einzurichten, immerhin habe ich einen Wikipedia-Eintrag, das muss doch reichen.

Nun ist es zwar keine Seltenheit, dass mehr oder minder berühmte (meist männliche) Menschen auf Tinder verkehren und ihren verblassenden Ruhm als Dating­ma­gneten einsetzen, aber eine App nur für elitäres Rumgeficke, das ist mir neu. Was ist denn aus den guten alten Elite-Orgien geworden, wie wir sie etwa aus Kubricks „Eyes Wide Shut“ kennen? Und ist es nicht unglaublich traurig, wenn man, sagen wir mal, Oliver Pocher ist und dann auf dieser App rumhängt und einem plötzlich Veronica Ferres schreibt, und man will lieber nicht antworten. Oder was ist, wenn man Steffi Graf ist, und man bekommt unangenehme Nachrichten von Boris Becker? Das erscheint mir doch sehr kompliziert. Also lehne ich das Ersuchen meines Freundes ab und erstelle kein Profil auf „Raya“ für 7,99 pro Monat unter dem Nickname „Paparazzi“. Niemals! Juri ­Sternburg