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Karies ist kein bisschen harmlos

Notstand im Mund: Niedersachsens Zahnärzte kritisieren mangelnde Mundhygiene bei Menschen in Pflegeeinrichtungen

Neben dem Zeitmangel des Pflegepersonals trägt auch die Furcht davor, etwas falsch zu machen, zu der Versorgungs-lücke bei

Vor einem Notstand bei der Mundhygiene von Pflegebedürftigen warnt die niedersächsische Zahnärztekammer. Pflegende Angehörige, Heimleitungen und Fachkräfte unterschätzten häufig die hohen Gesundheitsrisiken, die durch schlecht gepflegte Zähne und verunreinigten Zahnersatz drohten, sagte eine Sprecherin Anfang März auf der Messe „Altenpflege 2018“ in Hannover. Alle an der Pflege Beteiligten müssten sich daher mehr für die Zahngesundheit von Seniorinnen und Senioren einsetzen.

Immer mehr ältere Menschen kämen in der Regel mit gut gepflegten Zähnen und hochmodernem Zahnersatz in die Pflege, führte die Zahnärztin Silke Lange aus Oldenburg aus. „Und dann kümmert sich niemand mehr regelmäßig um die Mundhygiene.“ Wenn sich die Angehörigen nicht informierten, ob die Heime beispielsweise mit niedergelassenen Zahnärzten kooperieren, falle die notwendige Zahnpflege oft unter den Tisch. Von den 1.800 niedersächsischen Pflegeheimen verfügen demnach derzeit rund 180 über solche Kooperationsverträge mit Zahnmedizinern.

Gisela Gode-Troch, die Vorsitzende des Kammer-Ausschusses für Alterszahnmedizin, nennt als Folgen mangelnder Zahnhygiene massive bakterielle Beläge auf Zähnen und Zahnersatz, Entzündungen an Zahnfleisch und Mundschleimhäuten, fortgeschrittene Karies sowie Druckgeschwüre durch unsaubere und schlecht sitzende Prothesen. Erschwerend kommt demnach hinzu, dass die Einnahme von Medikamenten bei pflegebedürftigen Menschen oft das Schmerzempfinden überlagere. In der Folge könnten sich unbemerkt Gebissschäden entwickeln. Durch mangelnde Mundhygiene könnten aber sogar das Immunsystem, Herz, Lunge und Kreislauf lebensgefährdend geschwächt werden.

Als Ursache sehen die ExpertInnen unter anderem den Zeitdruck der Pflegekräfte, denen täglich nur drei Minuten für die Zahnersatzpflege und Mundhygiene zur Verfügung stünden. Aber auch die Furcht davor, etwas falsch zu machen, trägt demnach dazu bei, dass die Zahnpflege von Pflegebedürftigen im ambulanten und stationären Bereich vernachlässigt werde.

Eine Änderung der Lage könnte eine Gesetzesänderung im kommenden Juli bringen: Dann sollen sowohl stationär als auch ambulant gepflegte Menschen ein verbrieftes Recht auf zusätzliche zahnärztliche Vorsorge erhalten. Dazu gehören dann etwa eine Bestandsaufnahme des Mundraums und ein individueller Behandlungsplan. (epd/taz)