heute in hamburg
: „Das ist Erpressung“

Foto: privat

Michael Witzorrek, 48, Merchandiser, ist Mitbegründer der Initiative „Lebenswertes Lokstedt“.

Interview Tobias Scharnagl

taz: Herr Witzorrek, wird das Ihr letzter Sommer im Schrebergarten?

Michael Witzorrek: Nein. Ich setze darauf, dass wir die Politiker mit Vernunft davon überzeugen können, am 16. Mai gegen den Vertrag mit der Beiersdorf AG zu stimmen. Die Kleingartenanlage Lokstedt gibt es seit mehr als 100 Jahren. Und jetzt kommt Beiersdorf und will der Stadt klammheimlich unsere 12 Hektar abkaufen – eine Grünfläche, so groß wie 17 Fußballfelder. Darum haben wir die Initiative „Lebenswertes Lokstedt“ gegründet.

Kleingärtner gegen Dax-Giganten – das könnte schwierig werden, oder?

Ja, außerdem klingt es nach der ewig gleichen David-gegen-Goliath-Geschichte. Dabei ist klar: Beiersdorf strebt nach Gewinn und nicht nach Altruismus. Wenn hinter dem Konzern Heuschrecken wie Black-Rock (weltgrößter Vermögensverwalter mit Sitz in New York City, Anm. d. Red.) stehen, wird es nicht leichter für uns. Aber es geht um mehr!

Und zwar?

Lebensqualität! Eine grüne Lunge mitten in der Stadt. 250 Gärten. Ein Stück Natur, wo Rentner sich auf einer schattigen Parkbank ausruhen können, sichere Wege, wo Kinder Radfahren lernen und sehen, dass Bohnen nicht im Supermarkt wachsen. Ein Lebensraum für Tiere. Es gibt hier eine Eiche, die ist einhundert Jahre alt. Wer diesen Baum fällt, müsste fünf neue pflanzen um seine Naturkraft zu ersetzen. Die Anlage ist klima- und systemrelevant für Mensch, Tier und Baum. Es gibt Gründe, warum Beiersdorf ausgerechnet jetzt an die Flächen will.

Welche Gründe?

Die Firmenkasse ist voll, der Senat wirtschaftshörig und über der Industrie schwebt das Damoklesschwert der Volksinitiative des Nabus „Hamburgs Grün erhalten“ – es muss also schnell gehen.

Eine steile These.

Politiker sagen mir hinter vorgehaltener Hand: Wenn wir Beiersdorf die Fläche nicht geben, dann sind sie weg. Das ist Erpressung! Der alte Trick der Industrie, der uns glauben machen soll, dass Arbeitsplätze nur zu halten sind, wenn man sich gegen Lebensqualität und Umweltschutz entscheidet. Wir gehen da nicht mit!

Kritiker ihrer Initiative sagen, dass neue Wohnungen wichtiger sind als alte Gärten.

Diese Menschen verlieren das große Ganze aus dem Blick. Wer will denn noch in einer Stadt wohnen, deren grüne Flächen alle versiegelt sind?

Diskussion mit Beiersdorf-Vertreter und Linken-Politikerin: 19 Uhr, Grundschule Döhrnstr. 42