Kidnapping-Prozess in Berlin: Mitentführer oder nur Handlanger?

Der Fall der Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmannes wird nun verhandelt. Der Angeklagte spielte aber nur eine Nebenrolle.

Durch die Anklagebank sieht man die Hände des Angeklagten Long N. H.

9 Monate nach der Entführung von Trinh Xuan Thanh: der Angeklagte im Berliner Kammergericht Foto: imago

BERLIN taz | Rund neun Monate nach der Entführung des viet­namesischen Geschäftsmanns und Expolitikers Trinh Xuan Thanh hat am Dienstag der Prozess gegen einen mutmaßlichen Mitentführer vor dem Berliner Kammergericht begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 47-jährigen Angeklagten Long N. H. vor, die Tatfahrzeuge besorgt zu haben, mit denen das Entführungsopfer zuerst ausgespäht und schließlich entführt wurde. Außerdem soll er für den stellvertretenden Geheimdienstchef von Vietnam, der von einem Berliner Hotelzimmer aus die Entführung managte, weitere logistische Dienste erbracht haben.

Der vietnamesische Geheimdienst hatte Trinh Xuan Thanh im Juli 2017 aus Berlin nach Hanoi entführt. Dort wurde er im Januar wegen zwei Wirtschaftsvergehen zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Dem nun in Berlin angeklagten Long N. H. sei der Gesamtplan der Tat bekannt gewesen, sagte Bundesanwalt Bernd Steudl in Berlin. „Er wusste, dass das Opfer gekidnappt und seiner Freiheit beraubt werden sollte.“ Die Bundesanwaltschaft klagt Long N. H. daher wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Beteiligung an erpresserischem Menschenraub an. Der Anklageschrift zufolge spielte Long N. H. im Entführungsfall aber nur eine Nebenrolle. Die anderen Entführer, die sich rechtzeitig nach Hanoi abgesetzt hatten, ließen ihn in Prag zurück, wo er zuletzt gewohnt hatte.

Dass er nicht bloßer Handlanger war, gehe jedoch daraus hervor, dass in seinem Handy die Nummer des Geheimdienstgenerals als Kontakt eingespeichert gewesen sei, erläuterte Nebenklageanwältin Petra Schlagenhauf, die Trinh Xuan Thanh vertritt, der taz. Long N. H. habe außerdem wenige Tage nach der Tat an einem Treffen mit Vietnams oberstem Polizeichef, dem stellvertretenden Geheimdienstchef und weiteren Mitentführern teilgenommen.

Verteidiger fordert Freispruch

Long N. H.s Verteidiger Stephan Bonell argumentiert dagegen, dass dieser nicht eingeweiht gewesen sei. „Mein Mandant hat lediglich aus persönlicher Verbundenheit heraus für seinen Onkel Autos angemietet und nach Berlin gefahren.“ Long N. H. sei nicht bekannt gewesen, was damit geschehen sollte. „Er ist darum freizusprechen.“

Der angesprochene Onkel war nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft der Vertreter des vietnamesischen Geheimdienstes in der Tschechischen Republik und wesentlich an der Entführung beteiligt.

Verteidiger Bonell macht der Bundesregierung Vorwürfe. Vietnam habe Deutschland schon im Herbst 2016 über den Auslieferungswunsch des später entführten Trinh Xuan Thanh informiert. Vietnams Premierminister habe die Bundeskanzlerin dazu am Rande des G20-Gipfels persönlich angesprochen. „Hätte die Bundesregierung anders reagiert“, so seine Schlussfolgerung, „wäre die Entführung gar nicht nötig gewesen.“

Thanhs Anwältin Schlagenhauf fordert von Vietnam eine Rückkehr ihres Mandanten nach Deutschland.

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