Montenegro bleibt auf Westkurs

Der seit Jahrzehnten alles bestimmende Spitzenpolitiker Milo Djukanović wird mit gut 54 Prozent der Stimmen Staatspräsident. Sein prorussischer Rivale Mladen Bojanić kommt auf 33 Prozent

Putin versuchte alles, um die proserbische Opposition in Montenegro zu stärken

Von Erich Rathfelder

Milo Djukanović hat es wieder geschafft. Mit 53,96 Prozent der Stimmen wurde der Sozialist bei der Wahl am Sonntag erneut Staatspräsident des kleinen Gebirgs- und Küstenlands Montenegro, nachdem ein Parteifreund diesen Posten für zwei Wahlperioden bekleidet hatte.

Der angeblich unabhängige proserbische und prorussische Kandidat mehrerer Oppositionsparteien, Mladen Bojanić, kam auf 33,38 Prozent. Eine Überraschung gelang der Juristin und Sozialdemokratin Draginja Vuksanović mit 8,17 Prozent der Stimmen. Sie steht der Zivilgesellschaft nahe. Die Wahlbeteiligung lag bei 64 Prozent.

Eigentlich würde man von dem Wahlprozess mit seinen nur 532.000 Wählern kaum Notiz nehmen, ginge es in Montenegro nicht nach wie vor um wichtige Weichenstellungen für die Politik auf dem Balkan. Denn das heutige Russland möchte die strategisch wichtigen Häfen von Bar und Kotor für seine Mittelmeerflotte nutzen. Deshalb versuchte Russlands Präsident Wladimir Putin in den vergangenen Jahren alles, um die proserbische Opposition in Montenegro zu stärken und die prowestliche Ausrichtung des Landes zu ändern. So jedenfalls deuten westliche Diplomaten in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica die russischen Aktivitäten. Hebel dafür sollten die Stimmen der Serben Montenegros sein, die gut ein Drittel der Bevölkerung umfassen.

Nach dem seit Jahrzehnten von Djukanović betriebenen Eintritt des Landes in die Nato im Juni vergangenen Jahres steigen dagegen jetzt die Aussichten Montenegros, in die EU aufgenommen zu werden. Die EU-Kommission in Brüssel hatte einen EU-Beitritt des Landes bis 2025 in Aussicht gestellt. Djukanović wollte eigentlich nicht mehr zur Wahl antreten. Böse Zungen sprechen davon, dass er genug mit der Verwaltung seines Familienbesitzes zu tun hätte – eine Anspielung auf die Vorwürfe gegen Djukanović, sich während seiner Amtszeiten seit 1991 bereichert zu haben. Diese Vorwürfe sind kaum von der Hand zu weisen, auch seine Brüder, Schwestern und andere Verwandte sitzen mit im Boot.

Zu seinen Verdiensten aber gehört, dass sich der einst vom serbischen kommunistischen Parteichef Slobodan Milošević eingeführte Djukanović nach und nach von der serbischen Kriegspolitik distanzierte. Montenegro war bis zur Unabhängigkeit 2006 zwar noch mittels einer Konföderation an Serbien gebunden, doch die meisten Montenegriner wollten nicht für die serbischen Kriegsverbrechen geradestehen.

Schon in den 90er Jahren formierte sich eine liberale Unabhängigkeitsbewegung, deren Forderungen Djukanović nach und nach übernahm. In Montenegro wurden Minderheiten geschützt und nicht verfolgt. Folgerichtig sind die Minderheiten der Bosniaken, Katholiken, Albaner und Muslime Anhänger Djukanovićs.

Serbische Nationalisten wiederum verstehen nicht, wie das orthodoxe Brudervolk der Montenegriner auf Konfrontationskurs zu Serbien gehen konnte. Nach der gängigen Erzählung serbischer Medien ist Djukanović ein Verräter und ein korrupter, vom Westen gekaufter Politiker.

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