Der dekorative Bühnentod

Das irische Regieduo Dead Center inszeniert „Shakespeare’s Last Play“ in der Schaubühne

Von Katrin Bettina Müller

Am Ende sind es nur noch die Gummistiefel, die über den Strand ragen. Hübsch in unterschiedlichen Farben. Da sind die Darsteller schon Hals über Kopf in den sandigen Boden gerutscht. Es ist nicht der erste dekorative Bühnentod, den die vier auf einer Insel Gestrandeten und die dort lebende Miranda an diesem Abend sterben.

Eine Stimme aus dem Off und Anweisungen per Videoscreen haben sie schon vorher in „Shakespeare’s Last Play“ ins Reich der Schatten übertreten lassen. Etwas abrupt kam dieses erste Ende, nach etwas mehr als einer Stunde, in der die Stimme aus dem Off, der Autor der Figuren, mit ihnen über ihre Rollen und Handlungen gestritten hatte und sie schließlich, selbst müde und ungeduldig geworden, alle unerwartet in den Tod schickte.

Die hier Regie führen, zwei junge Männer aus Irland, nennen sich übrigens Dead Centre und hegen zum Sterben auf der Bühne offenbar ein lustiges Verhältnis. Wenn die Welt draußen eh kaputt geht, muss man hier drinnen auch keine Rücksicht mehr nehmen. Sie waren an der Schaubühne mehrmals beim Festival Find zu Gast und arbeiten jetzt erstmals mit dem Ensemble. Ihr Inszenierungsansatz ist sehr vom englischen Humor geprägt, der im ersten Teil mit Understatement, im zweiten hingegen mit Gruseleffekten und Ekel zusammenkommt.

Der erste Teil ist feines Theater, der zweite eine moralische Standpauke. Zuerst spielen sie angelehnt an Shakespeares Drama „Der Sturm“ die Geschichte von Schiffbrüchigen auf einer einsamen Insel. König Alonso (Thomas Bading) glaubt, dass sein Sohn Ferdinand (Matthias Waschke) ertrunken ist. In seiner Trauer holt ihn die Erkenntnis ein, mit früheren Intrigen selbst an diesem Unglück schuld zu sein. Derweil wäre es seiner Frau Antonia (Nina Kunzendorf) und dem Höfling Gonzalo (Moritz Gottwald) ganz recht, wenn er sich aus Trauer selbst umbrächte.

Wie die drei sich belauern hat schon viele komische Momente, verstärkt durch die Kommentare aus dem Off. Das konnte ich alles schon mal besser, denkt der Autor und murxt rum an seinem Plot. Zu dem gehört auch eine Liebesgeschichte zwischen Miranda (Jenny König) und Ferdinand, die auf den ersten Blick füreinander glühen. Allein Miranda, erst 15 Jahre alt, hat dann doch noch ein paar Fragen an dieses Bild von der plötzlichen Liebe und lässt Ferdinand auflaufen, wieder und wieder, bis er brutal wird.

Dieses Spiel mit den Rollen, ihr Hinterfragen und Abgleichen mit dem eigenen Verständnis, der mal feine, mal grobe Zwist mit dem Autor, er gelingt den Schauspielern ordentlich gut. Dem wird im zweiten Teil eine weitere Metaebene übergeworfen. Warum noch den toten Shakespeare spielen, wenn die Klimakatastrophe droht?

Jetzt spielen die Schauspieler Schauspieler mit schwerer Sinnkrise und hacken mit agitatorischen Sprüchen aufeinander ein. Sie machen auch das perfekt, aber trotzdem lässt die Glaubwürdigkeit nach, vielleicht weil sie den etwas platten Text dann doch zu gut machen wollen.

Nur Thomas Bading, der als einziger darauf bestehen darf, dass Shakespeare weiterhin zu spielen, dem Menschen schon helfen kann, sich selbst zu verstehen, glaubt man weiterhin.

Wieder am 26. 4., 22.–27. 5. in der Schaubühne