Gaumenhandwerkskunst

Die Berliner Bierfabrik hat Geschmack: Überzeugen sie sich selbst auf dem taz lab!

Sebastian Mergel bei der Arbeit Foto: ­Torben Becker

Von Torben Becker

Cognac, hin und wieder Pflaumen, Walnüsse oder sogar Austern – Für die übliche Hopfenmalzschorle sind das eher ungewohnte Zutaten, doch die Zeiten konservativer Biergaumen sind längst vorbei. Seit Jahren erfährt das Brauereihandwerk mit den unabhängigen Brauereien der Craft-Beer-Szene einen geschmacklichen Frühling. In Berlin scheinen die Krokusse dieses Trends zwar schon etwas zu welken, doch sollte man dieser Zeitdiagnose nicht allzu viel Glauben schenken, meint Sebastian Mergel, Leiter der Berliner Bierfabrik. Sein Wahlspruch: „Don’t believe the Craft Beer Hype.“ Dass dieses Handwerk auch abseits geschmacksflacher Industriebiere Bestand hat, davon konnte man sich schon an einem der ersten lauen Frühlingsabende beim Tap Takeover in der unabhängigen Protokoll-Bar in Friedrichshain überzeugen. An sieben der vierundzwanzig kunstvoll gefertigten Zapfhähne wurde nur für diesen Abend Bierfabrikbier ausgeschenkt.

Bereits als junger Winzerlehrling wusste Mergel, dass er in seiner Arbeit unabhängig sein wollte: „Wein kannst du nur einmal im Jahr und ortsgebunden machen. Bier dagegen überall und mehrmals.“ 2009, als der Wirbel um Craft Beer besonders in den urbanen Geschmacksballungszentren begann, studierte Mergel Brauerei- und Getränketechnik und braute mit Mitstreiter*innen die ersten Chargen Bier auf dem eigenen Balkon. Was in Berlin und in Szenekiezen explosionsartig Fuß fasste, stagniert in den letzten Jahren mehr und mehr, weiß Mergel zu berichten: „Der Kuchen wächst nicht so schnell weiter wie die Szene, so wird er immer weiter klein geteilt.“ Man muss sich quasi eine Nische in der Nische suchen.

Das ist aber gleichzeitig ein Vorteil, denn „gerade im Craft-Beer-Segment wollen die Leute oft den ‚crazy shit‘ und nicht das reguläre Industriebier“, sagt Mergel. Dann bezahlen sie auch lieber den höheren Preis, der durch die Produktionsprozesse entsteht. Sein Bier möchte Mergel im Ausgleich zwischen Produktion und Verbrauch herstellen. Organische Unternehmensführung nennt man das – Wachstum und Gewinnoptimierung zählen nicht zu seinen wirtschaftlichen Maximen.

Er möchte den Blick für das Wesentliche seines Handwerks behalten: „Das Schöne ist, du bist bei allem dabei: vom Rezepteschreiben bis zum fertigen Bier. Du siehst, wie dein Bier in der Bar angeschlossen wird und es die Leute glücklich macht.“ Darin sieht er die Essenz seiner Arbeit. Sie ist sinnstiftend, nicht nur für ihn und seine Angestellten, sondern auch für die Konsument*innen.

Für Mergel ist Craft Beer nicht nur ein Trend. „Think global, drink local“ – mit dieser Einstellung und der Liebe zum Handwerk konnte sich die Bierfabrik ein Stück vom Berliner Bierkuchen sichern. Mittlerweile ist die kleine Brauerei ein Ausbildungsbetrieb und stellt demnächst einen zweiten Azubi ein. Craft Beer ist zu einem ernst zu nehmenden Markt geworden. Zwar nur mit rund einprozentigem Marktanteil, jedoch mit einem enorm hohen Maß an Medienaufmerksamkeit. Das merken mittlerweile auch die großen Brauereien und versuchen ähnlich unabhängige Geschmäcker zu kreieren – doch mit weitaus weniger Geschmack als die wirklich Unabhängigen.

Was Bierglück bedeutet, können Sie heute gemeinsam mit Sebastian Mergel auf dem taz lab herausfinden. Während man sich zuprostet, werden Sie auf einem Tasting versuchen, die Austern, Pflaumen und Walnüsse zu erschmecken. So viel kann verraten werden, die Bierfabrik versteht es, volle Biergeschmäcker zu schaffen, bei deren Genuss man bei Weitem nicht an die Vergänglichkeit irgendwelcher Trends denkt.

Craft-Beer-Verkostung: 15 Uhr, auf dem Dach, 19.15 Uhr, Zelt 3