Online-Portal zu NS-Raubkunst

Tausende Objekte der Sammlung Mosse verschwanden in der Nazizeit. Ein Forschungsprojekt spürt sie auf

Mari ist die erste öffentlich-private Partnerschaft in der Provenienzforschung und

gilt bislang als einzigartig

In Künstlerkreisen hieß Anfang des 20. Jahrhunderts das dreigeschossige Stadtpalais von Rudolf Mosse (1843–1920) am Leipziger Platz „Mosseum“. Der legendäre deutsch-jüdische Verleger und Herausgeber des linksliberalen Berliner Tageblatts war ein passionierter Kunstsammler. Zu seiner mehrere Tausend Objekte umfassenden Sammlung gehörten Werke von Wilhelm Leibl, Adolph Menzel oder Max Liebermann. Neben Gemälden und Skulpturen sammelte er auch Kunsthandwerk, Möbel, Textilien, ägyptische Altertümer, Benin-Bronzen und Ostasiatika sowie wertvolle Handschriften und seltene Bücher.

1933 trieben die Nazis Mosses Tochter Felicia und Schwiegersohn Hans Lachmann-Mosse mit den drei Kindern ins Exil. Der Besitz wurde versteigert, von vielen der Kunstwerke verlor sich die Spur. Seit einem Jahr erforschen die in den USA lebenden Nachfahren der Familie gemeinsam mit öffentlichen Einrichtungen in Deutschland den Verbleib der geraubten Kunstwerke. An dem Projekt wirken seit Frühjahr 2017 neben der an der Freien Universität Berlin (FU) angesiedelten Mosse Art Research Initiative (Mari) weitere Einrichtungen wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Kulturstiftung der Länder, die Stiftung Jüdisches Museum Berlin und das Landesarchiv Berlin mit. Die ersten Ergebnisse der Nachforschungen sind nun auf einem neuen Online-Portal zu sehen, wie die projektverantwortliche Koordinatorin Meike Hoffmann am Mittwoch sagte.

„Wir haben bisher die Forschung zu 115 Werken aufgenommen, zu 68 Werken haben sich belastbare Spuren ergeben. Für 30 Werke sind im Mari-Online-Portal alle Informationen hinterlegt, die in unsere Forschung eingegangen sind“, sagte Hoffmann. 24 Werke konnten die Provenienzforscher bereits eindeutig identifizieren, acht sogar lokalisieren. Die Werke befinden sich unter anderem im Belvedere in Wien, im Tel Aviv Museum in Israel, in Privatbesitz oder im Arkell Museum in Canajoharie im US-Bundesstaat New York.

Mari ist die erste öffentlich-private Partnerschaft in der Provenienzforschung und gilt bislang als einzigartig. Der Sprecher der Mosse-Erbengemeinschaft und Präsident der Mosse Foundation, Roger Strauch, spricht von einer „beispiellosen Zusammenarbeit“. Sie stehe für die wohlwollende Grundhaltung der deutschen Regierung und der Kultureinrichtungen des Landes, sagte der US-Amerikaner in Berlin. „Danken möchten wir auch den vielen talentierten Provenienzforschern, die mit großer Beharrlichkeit nach den Kunstwerken aus der Sammlung Mosse suchen.“

Als eine der ersten deutschen Einrichtungen hatte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 2015 und 2016 neun Werke aus den eigenen Beständen an die Mosse-Erben in den USA zurückgegeben. Drei davon konnten in den folgenden Jahren für die Sammlungen der Staatlichen Museen erworben werden. Zurückgekauft wurden ein römischer Kindersarkophag sowie die „Susanna“ von Reinhold Begas (1831–1911) und eine Löwenskulptur von August Gaul (1869–1921). Der Kindersarkophag ist im Neuen Museum, die „Susanna“ in der Alten Nationalgalerie zu sehen. „Die liegende Löwin“ wird bald in der James-Simon-Galerie zu besichtigen sein. Eine neue Medienstation neben der „Susanna“ erinnert zudem an die geglückte Restitution der Objekte. (epd)