Forderung von Unionspolitikern: Wertekunde stößt auf Ablehnung

Selbst Schulminister CDU-geführter Länder reagieren reserviert. Zustimmung kommt hingegen aus Hessen und Baden-Württemberg.

ein großer hellbrauner Schwamm unter einer Tafel

Ganz schön schwammig – das mit den Werten Foto: dpa

BERLIN taz | Bevor sie in Mathe oder Biologie unterrichtet werden, sollen Kinder von Geflüchteten zunächst Deutsch und Wertekunde pauken. Das sieht eine Beschlussvorlage der CDU-/CSU Fraktionsvorsitzenden vor. „Sprach- und Wertevermittlung soll der Regelbeschulung vorgeschaltet sein …“, heißt es in dem Entwurf, der am Dienstag offiziell vorgestellt werden soll.

Die Kinder sollten sich, so der Entwurf, in sogenannten Rechtsstaatsklassen insbesondere mit dem deutschen Rechtssystem auseinandersetzen. Ziel sei es, „dass Flüchtlinge sich in unserem Werte- / Rechtsstaatssystem besser zurechtfinden können und ihnen gleichzeitig die Grenzen und Verpflichtungen unseres Rechtsstaates vermittelt werden.“

Das Papier ist federführend von Thüringens Fraktionschef Mike Mohring erarbeitet worden, welcher zusammen mit seinem hessischen Kollegen die Konferenz der 18 Chefs von CDU- und CSU-Fraktionen in Bund, Ländern und im EU-Parlament leitet. Die Unions-Parlamentarier fordern in dem Entwurf auch, dass die AnKER-Zentren für Asylbewerber, in denen die Ankommenden registriert, über ihren Verbleib entschieden wird und aus denen sie auch gleich wieder abgeschoben werden können, zügig umzusetzen und pochen auf Einhaltung der Obergrenze von 220.000 Zuwanderern pro Jahr.

In Deutschland leben etwa 264.000 schulpflichtige Kinder von Schutzsuchendenden, so die aktuellen Zahlen des Ausländerzentralregisters von 2016. Für ihre Beschulung sind die Bundesländer zuständig.

„Das ist Stuss“

Doch selbst Bildungsminister CDU-geführter Ländern reagieren auf den Vorschlag reserviert bis ablehnend, wie eine Umfrage der taz in den Bundesländern zeigt. „Eine Wertevermittlung erfolgt bereits im Rahmen des Unterrichts im Fach Deutsch als Zweitsprache und später im Regelunterricht wie bei jedem anderen Schüler gemäß den Lehrplänen der betreffenden verschiedenen Fächer“, heißt es vom CDU-geführten sächsischen Kultusministerium. Aus sächsischer Sicht sei keine Veränderung nötig.

Im CDU-regierten Saarland weist SPD-Bildungsminister Ulrich Commerçon das Ansinnen scharf zurück: „Der Vorschlag ist Stuss, weil es Wertevermittlung bereits an unseren Schulen gibt.“ Diese gebe es für alle Schülerinnen und Schüler, egal, welcher Herkunft, egal welcher Nationalität und egal welcher Religion. „Exklusion ist kontraproduktiv. Wir setzen auf Wertevermittlung durch Integration“, so Commerçon.

Pädagogin: Eine eigenes Fach ist kontraproduktiv

Auch in Nordrhein-Westfalen, wo die CDU mit der FDP regiert, sei die Vermittlung demokratischer Grundwerte schon jetzt Kernbestandteil des Unterrichts heißt es aus dem Schulministerium. „Wir sollten nicht für alle aktuellen Debatten zu gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen umgehend mit der Einführung neuer Fächer im Unterricht unserer Schulen reagieren“, meint FPD-Schulministerin Yvonne Gebauer.

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbandes Simone Fleischmann hält die Einführung eines eigenen Faches sogar für kontraproduktiv. „Demokratiebildung darf nicht im Rahmen einer Stunde abgehakt werden, sondern muss sich durch alle Fächer ziehen,“ sagte Fleischmann der taz. Sinnvoll wäre es daher, die Schulen so auszustatten, dass genügend Zeit für Begegnung und kritische Reflexion bleibe.

Auch SPD-geführte Länder zeigen keine Begeisterung für den Vorschlag der 18 Herren. „Ein eigenes Fach Rechtsstaatlichkeit wird es speziell für Geflüchtete in Bremen nicht geben“, teilt SPD-Bildungssenatorin Claudia Bogedan mit. Auch Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst, SPD, lehnt dankend ab: „Rechtsstaatsklassen sind wenig sinnvoll, da für die sehr heterogene Schülerschaft geeignete Unterrichtskonzepte durch die jeweiligen Schulen erarbeitet werden sollten.“

Unabdingbar für Integration

Positive Signale kommen hingegen aus dem grün-schwarzen Baden-Württemberg und dem schwarz-grün regierten Hessen. In Hessen gibt es bereits das Programm „Fit für den Rechtsstaat“ dass sich an ältere Jugendliche richtet. „Da für eine gelingende Integration die Auseinandersetzung mit grundlegenden Wertevorstellungen unserer Gesellschaft unabkömmlich ist, wird die Durchführung und ein weiterer Ausbau des Projekts für die Intensivklassen sehr begrüßt und angestrebt“, schreibt das CDU-geführte Kultusministerium.

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) teilt mit, die Vermittlung von Werten, Grundrechten und Verfassungsprinzipien sei unabdingbar für eine erfolgreiche Integration. „Deshalb begrüße ich die Forderung der Unionsfraktionschefs.“ Baden-Württemberg lege bereits heute einen besonderen Schwerpunkt darauf, dass die geflüchteten Schülerinnen und Schüler, bevor sie in Regelklassen integriert werden, „anhand konkreter Beispiele lernen, was Demokratie ausmacht, welchen Wert unsere Grundrechte in unserer Gesellschaft haben und was Gleichberechtigung und Toleranz im Alltag bedeuten.“

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