Mit Soul und Schmackes

Tanzen, um damit vielleicht die Gedanken in Bewegung zu bringen: U.S. Girls in der Kantine am Berghain

Von Thomas Mauch

Die Frage ist also: Kann man tanzen, während man denkt? Was sich auf die Schnelle gar nicht so leicht beantworten lässt, weil es da eher nicht um ein Multitasking geht. Es geht mehr um eine prinzipielle Sache: Darf man seinen Spaß haben, wenn das alles um einen drumherum nun wirklich nicht zum Lachen ist?

Gestellt wurde die Tanzfrage in einem Werbeschreiben zur Musik von U.S. Girls, dem Projekt der in den USA geborenen und seit Jahren in Kanada lebenden Musikerin Meg Remy. Darüber nachdenken kann man zum Beispiel, wenn man das Video zu „Mad As Hell“ guckt, ein Lied von ihrem neuen Album „In A Poem Unlimited“. In dem Video sieht man eine tänzelnde Meg Remy, und zwar vor Bildern von militärischen Lagebesprechungen, vom Krieg und historischen Schlachten. Zwischendurch zeigt sie dabei ganz nonchalant den Stinkefinger.

Musikalisch ist da ein leichtfüßiger, fröhlich aufspringender Pop zu hören. In den Texten von Meg Remy alias U.S. Girls aber geht es eben eher dunkel, auch insistierend quälerisch zu.

Im Konzert am Donnerstagabend in der ausverkauften Kantine am Berghain klang dieser hüpfende Pop dann ziemlich rockig, wofür die Musiker im Rücken von Meg Remy sorgten. Früher als Einfrau-Unternehmen mit krachig-experimentellem Lofi-Pop unterwegs, gönnt sie sich nun eine opulent besetzte Band. Sechs Musiker, Männer. Neben sich zur Seite eine weitere Sängerin. Und diese U.S. Girls gingen mit reichlich Soul und Schmackes zur Sache, sehr funky. Sogar ein Gitarrensolo war mal zu hören.

Zwischendurch wurden die Stimmen von den beiden Sängerinnen in die Kiekslage hochgepitcht für eine Discostimmung, die man dann wieder mit Progrock-Momenten aus dem 70er-Jahre-Schnittbogen kontrastierte. Was in dieser musikalischen Dramaturgie mit dem sorgsamen Verschieben von Versatzstücken ziemlich Glam war.

Dazu passte das ausgestellt Theatralische in der Performance. Die Tanzbewegungen, die angedeutete Entrücktheit, die ausgespielte Emphase. Halt alles nicht wirklich wahr und trotzdem da. Und das sogar sehr überzeugend.

Jedenfalls kam das Publikum in der Kantine recht schnell in Bewegung bei dem Konzert dieser U.S. Girls. Und tanzte.

Ob die Menschen dabei, um die eingangs gestellte Frage mal umzustellen, neben dem Tanzen noch Überlegungen anstellten, die weiter als nur bis zum nächsten Stück reichten, lässt sich allerdings nicht beantworten. Man kann den Leuten ja nicht in den Kopf schauen: ob sie auch denken, während sie tanzen.

Für den Moment aber, nach außen hin, sahen sie recht glücklich aus.