NACH SIEBEN JAHREN BERLIN IST SCHLUSS. ICH KANN MIR MEINE EXISTENZ NICHT SPENDEN LASSEN
: Unterhosen für Salatfeministinnen

JULIA SEELIGER

Keine Spülmaschine, kein Kühlschrank, keine Waschmaschine, keine Badewanne. Rauchverbot. Schuhe ausziehen. Zwei wacklige Kochplatten. Allein in der dunklen Küche. Mein Lebensstandard went down to zero. Am Ende habe ich sie doch noch gefunden: die prekären Freiberufler, die immer Nudeln oder Reis mit langweiligem Gemüse essen. „Du musst dich einfach dran gewöhnen“, heißt es hier immer. Nö. Da gewöhne ich mich nicht dran.

Ich bin umgezogen. Meine alte WG, die so häufig in dieser Kolumne vorkam, habe ich verlassen müssen. Mir fehlt viel, am meisten meine Unterhosen. Sie gingen beim Umzug verloren. Eine langweilige Perversion: gewaschene Unterhosen.

So oder so: Es mussten neue Unterhosen her, möglichst schnell. Und das ging mit der Crowd. Das Internet ändert alles. Auch Geschäftsmodelle.

Ich mag viele Freunde verloren haben, aber meine Internetfreunde sind noch da. Als mein Exkollege Nils erfuhr, dass ich mich untenrum nicht mehr adäquat anziehen kann, schrieb er den traurigen Sachverhalt in einen launigen Blogartikel und startete eine Aktion beim Crowdfunding-Dienst betterplace. Ich schrieb einen launigen Blogartikel dazu und schon war die kritische Masse da. Gewinn! 100 Prozent Unterhosen.

Eigentlich wollte Nils mit der Aktion nur die dort immer wieder für überteuerte Apple-Geräte sammelnden Piratenbonzen trollen. Vielleicht war es genau das, kombiniert mit ein bisschen Sex. So einfach ist das: Innerhalb weniger Stunden kamen 300 Euro zusammen, die meine Freundin Fiona und ich nun für seidiges Zeug ausgeben werden.

Schöne neue Welt, macht uns das Internet frei und zu selbstbestimmten Aufmerksamkeits-Ich-AGs? Sind wir alle Amanda Palmer? Können wir uns alle unser Einkommen herbeitrollen?

Mittwoch Margarete Stokowski Luft und Liebe Donnerstag Josef Winkler Wortklauberei Freitag David Denk Fernsehen Montag Maik Söhler Darum Dienstag Deniz Yücel Besser

Fragen wir uns nach der Gerechtigkeit einer solchen Zukunft, so müssen wir selbstkritisch feststellen: Ja, ja, das ist der Neoliberalismus in Reinkultur. Die Beliebtesten gewinnen, und wenn es sinnlose Anliegen sind wie ein 2.300 Euro teurer Rechner für jemand mit einem Einkommen von 3 Brutto. Oder eben Unterhosen für junge Salatfeministinnen.

Für mich ist das eine lustige Anekdote zum Abschluss meiner Zeit in Berlin. Sieben Jahre habe ich hier gewohnt. Damit ist nun Schluss. Ich kann mich nicht crowdfunden, um eine Kaution herbeizutrollen, die mich in eine andere Wohnung führen könnte. Ich bin pleite. Geistig zwar wiederhergestellt, aber finanziell am Boden. Das kann heute jedem passieren, Selbstunternehmertum suckt. So ziehe ich zu meiner Mutter nach Norddeutschland. Dahin, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Da gibt es Kartoffeln und Milch vom Bauern und Kräuter aus dem Garten. Matschige Erlen und Kuhwiesen. Einen Bus nach Hamburg und viel Zeit zum Spazierengehen. Im Grunde ist da alles bio. Natürlich ohne Yoga-Club-Esoteriker und hektische Selbstwichser. Aber dennoch sehr gesund und gar nicht mehr rotzig und provokativ. Vielleicht muss meine Kolumne dann umbenannt werden oder eingestellt. Es wird auf jeden Fall eine Menge anders. Ich bin gespannt.