WDR: Zweite Freistellung

Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung erreichen die oberen Ränge – doch „Tatort“-Koordinator Gebhard Henke wehrt sich

Von Jürn Kruse

Am Sonntag war der Mitarbeiter, den der Westdeutsche Rundfunk (WDR) kurz zuvor freigestellt hatte, noch namenlos. Die Bild hatte über die Freistellung berichtet, eine WDR-Sprecherin den Mitarbeiter lediglich als „hochrangig“ eingestuft. Am Montag war dann klar, dass es sich um Gebhard Henke, den Leiter des Programmbereiches Fernsehfilm, Kino und Serie im WDR, handelt. Er soll von WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn von seinen Aufgaben entbunden worden sein.

Henke selbst ist mit seinem Namen an die Öffentlichkeit gegangen. Sein Anwalt Peter Raue veröffentlichte eine Presseerklärung: Henke sei vom Sender freigestellt worden – ohne „einen einzigen konkreten Sachverhalt zu nennen“. Die Forderung: Die gegen Henke erhobenen Vorwürfe sollen bis zum 10. Mai konkretisiert oder die Freistellung aufgehoben werden. „Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, er weiß nicht, wer gegen ihn einen – welchen? – Vorwurf erhebt. Und dies sollte, bevor die Gerüchteküche brodelt, klargestellt werden“, sagte Raue der Deutschen Presse-Agentur.

Die Antwort des WDR: „Wir haben verschiedene ernstzunehmende Hinweise, denen wir derzeit sehr sorgfältig nachgehen. Während dieser Überprüfung halten wir es für notwendig, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden.“

Henke ist seit 1984 beim WDR. Erst Hörfunk­redakteur, stieg er in dem öffentlich-rechtlichen Sender immer weiter auf, wurde zum Fernsehfilm-Leiter und zudem „Tatort“-Koordinator in der ARD. Damit erreichen die Vorwürfe um sexuelle Belästigung die oberen WDR-Führungsränge.

Vor wenigen Wochen war durch Recherchen des Stern und von „Correctiv“ bekannt geworden, dass ein langjähriger WDR-Auslandskorrespondent mehrere Frauen belästigt haben soll. Auch gegen einen weiteren Mitarbeiter soll es schwerwiegende Vorwürfe gegeben haben. Der Korrespondent wurde erst nach den Veröffentlichungen freigestellt, die Vorwürfe sollen im WDR aber bekannt gewesen sein. Konsequenzen habe es jedoch damals – bis auf einen Eintrag in die Personalakte – keine gegeben.

Reichte das? Wenn es nach dem WDR-Personalrat geht, dann: Nein. WDR-Intendant Tom Buhrow versuchte in der vergangenen Woche zu beschwichtigen: „Wir sind nicht mehr von diesem üblen Phänomen der sexuellen Belästigung betroffen als andere Unternehmen auch“, sagte er. Die frühere Gewerkschaftschefin und EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies soll nun unabhängig prüfen, wie der WDR mit Hinweisen auf sexuelle Belästigung umgegangen ist.