Konfusion um das Kopftuch

Im Fall einer wegen Kopftuchs versetzten Lehrerin gab das Arbeits­gericht nun dem Land recht. 2017 hatte es anders entschieden

Zeynep Cetin (rechts) vom Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit kritisiert vor Journalisten die Entscheidung des Gerichts Foto: Jens Kalaene/dpa

Von Susanne Memarnia

Das jüngste Urteil des Berliner Arbeitsgerichts, das am Mittwoch dem Land Berlin in der Klage einer Kopftuch tragenden Lehrerin Recht gegeben hat, ruft gegensätzliche Reaktionen hervor. Das Netzwerk gegen Islamfeindlichkeit bedauert die Entscheidung der ersten Instanz: „Der diskriminierenden Einstellungspraxis der Bildungsverwaltung muss ein Riegel vorgeschoben werden“, so Zeynep Çetin vom Netzwerk.

Dagegen begrüßte der Humanistische Verband Berlin das Urteil: „Für uns geht es beim Tragen religiöser Symbole im Staatsdienst grundsätzlich um die Frage, ob Repräsentant_innen des Staates, die in ihrer Anstellung mit Autorität und Macht ausgestattet sind, auch bereit sind, mit dem gebotenen Respekt im Sinne des Grundgesetzes aufzutreten.“

Das Arbeitsgericht hatte am Mittwoch entschieden, dass eine Berliner Lehrerin mit Kopftuch keinen Anspruch darauf hat, an einer Grundschule beschäftigt zu werden. Sie müsse die Versetzung an ein Oberstufenzent­rum durch die Schulverwaltung hinnehmen.

Hinter dem Rechtsstreit steht die Frage, ob das Berliner Neutralitätsgesetz, das das Tragen religiöser Symbole für Lehrer, Polizisten und Justizangestellte bis auf Ausnahmen verbietet, verfassungskonform ist.

Das Gericht hat dies mit seiner Entscheidung bejaht. „Das Neutralitätsgesetz ist Ausdruck des Souveräns, um bestimmte Konfliktlagen zu lösen“, indem staatliche Einrichtungen neutral gestaltet werden, begründete der Vorsitzende Richter Arne Boyer das.

Das Berliner Gesetz war in jüngster Zeit immer wieder Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Angestoßen worden war dies durch ein Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2015. Dort hatten die Richter in einem anderen Kopftuch-Fall erklärt, das Recht auf Religionsfreiheit dürfe nur eingeschränkt werden, wenn eine „konkrete Gefahr“ für den Schulfrieden bestehe, nicht aufgrund abstrakter Neutralitätsvorstellungen.

Der Richter rechnet mit einer Aufhebung seiner Entscheidung

Im vorigen Jahr hatte daraufhin das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz das Land Berlin zu einer Entschädigungszahlung von rund 8.000 Euro an eine Kopftuch tragende Lehrerin verurteilt. Begründung: Es gehe von dieser Lehrerin keine „konkrete „Gefahr“ aus. Indem man ihr nur einen Einsatz an einem Oberstufenzentrum oder einer Berufsschule – dort sind religiöse Symbole für LehrerInnen erlaubt – angeboten habe, habe man gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) verstoßen, das Diskriminierung auf Grund der Religion verbietet.

Im aktuellen Fall war der Lehrerin zunächst eine Beschäftigung an ihrer Wunsch-Schule zugesagt worden, einer Grundschule in Spandau. Als sie am ersten Arbeitstag mit Kopftuch erschien, versetzte man sie an ein Oberstufenzentrum. Dies sei rechtmäßig, entschieden nun die Richter. „Wenn wir sagen, das Neutralitätsgesetz gilt, hatte die Senatsverwaltung keine andere Wahl, als so zu handeln“, erklärte Boyer, der im anschließenden Gespräch mit der taz aber auch zu verstehen gab, dass die Rechtsauffassung seiner Kammer zum Neutralitätsgesetz mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur schwer in Einklang zu bringen sei. Er rechne durchaus mit einer Aufhebung der Entscheidung in nächster Instanz und halte eine grundsätzliche Klärung für wünschenswert. Das Land Berlin hätte diesen Weg schon 2017 gehen können, wenn es in dem anderen Kopftuch-Fall in Berufung gegangen wäre. Damals hatte es jedoch die Entschädigung gezahlt.

Berufung ist auch für die nun unterlegene Klägerin möglich. Ob ihre Mandantin diesen Weg einschlägt, konnte deren Anwältin noch nicht sagen.