Die Demonstranten für freies Internet

Platz 148 auf der Liste der Pressefreiheit: Wie sich Russen gegen die Einschränkung der Freiheit im Internet durch die Regierenden wehren

„Die Sache steht so schlecht, dass selbst die Introvertierten hier sind!“ stand auf einem Plakat, das sich am Montag gegen die Einschränkung der Me­dienfreiheit im Internet in Russland richtete. Das war eine Anspielung auf jene User, die ihr Leben bevorzugt im Netz verbringen.

Am Montag waren mehr als 12.000 Demonstranten in Moskau auf die Straße gegangen, um gegen die Telekommunikationsbehörde Roskomnadsor (RKN) zu protestieren. Seit Mitte April versucht RKN, den Messengerdienst Telegram in Russland zu blockieren. Die Behörde verlangt vom Betreiber des Dienstes Zugang zu den Codes, um die verschlüsselten Chats lesen zu können.

Die Software Telegrams funktioniert ähnlich wie WhatsApp. Der Dienst hat weltweit 200 Millionen Nutzer, 15 Millionen davon leben in Russland. Viele Unternehmen wickeln ihren Kundendienst über den Messengerdienst ab; auch russische Behörden und der Pressedienst des Kreml hielten über Telegram Kontakt zur Presse.

Besonders geschätzt wird ­Telegram wegen der Verschlüsselung der Kommunikation. Sie macht ihn zu einem beliebten Kanal, über den sich auch die russische Opposition verständigte. Die Aufsichtsbehörden begründen ihr Vorgehen aber damit, dass auch IS-Terroristen auf den Dienst zurückgreifen würden.

Das Vorgehen gegen Telegram sei nur ein erster Schritt zur Überwachung des Internets, meinten die Demonstranten. Allgemeiner Belustigung diente, dass RKN im April mehr als 19 Millionen IP-Adressen blockieren ließ, um den Messengerdienst auszuschalten. Telegram lief unterdessen weiter, weil die Nutzer die Sperren durch andere VPN-Adressen umgehen konnten. Auf der Strecke blieben Unternehmen, Kurierdienste und verschiedene Versandhäuser.

Klaus-Helge Donath