Protest gegen Plastikmüll: „Die Leute ärgern sich über Plastik“

In zahlreichen belgischen Städten finden Plastic Attacks statt. Vanessa Debruyne von der Zero Waste Group in Gent erklärt den Erfolg der Aktionsform.

Zwei Einkäuferinnen entsorgen überflüssiges Plastik vor einem Brüssler Supermarkt

Weg mit dem Dreck: Überflüssiges Plastik wird entsorgt Foto: dpa

taz: Frau Debruyne, was ist eine Plastic Attack?

Das ist sehr simpel: Wir erledigen unsere Einkäufe ganz normal in einem Supermarkt und lassen alle überflüssigen Plastikverpackungen dort zurück. Dabei gibt es nur wenige Regeln: Sei umgänglich, sei ruhig, sei ordentlich. Und: Bleib politisch neutral. In jeder Stadt wird die Initiative von einer anderen Gruppe organisiert. Je mehr wir sind, desto größer ist die Chance, dass Handel und Politik uns zuhören.

Manche sagen, Gent ist eine Art belgisches Freiburg. Hier wollen Anfang Juni ein paar Tausend Menschen mitmachen. Was ist das Besondere an der Stadt?

Die Idee ist hier entstanden, dadurch haben wir einen Vorsprung gegenüber anderen Städten. Aber natürlich ist Gent auch eine sehr grüne, junge und rebellische Stadt, die schon seit Jahren bei Umwelt und Nachhaltigkeit Vorreiter ist. Sowohl Bürger und Unternehmer als auch Politiker beteiligen sich. Das sorgt für eine positive Atmosphäre. Es gibt viel Unterstützung für ökologische Initiativen und grüne Projekte. Das alles verstärkt sich gegenseitig.

Die Proteste sollen zugleich in 15 Supermärkten stattfinden. Wie wird das ablaufen?

Wir haben Läden in verschiedenen Vierteln ausgewählt. In jedem gibt es einige Aktivisten, die den Menschen alles richtig erklären können und die dafür sorgen, dass alles gut abläuft. Danach veranstalten wir im Viertel Zuid eine Plage Plastique (einen „Plastikstrand“). In einem Planschbecken machen wir unsere eigene Plastiksuppe, es treten Bands auf, ein typisches Genter Fest.

Vanessa Debruyne ist Schriftstellerin und Aktivistin der Zero Waste Group im belgischen Gent.

Ist Plastik nicht auch nützlich, etwa um Gemüse zu konservieren?

Es geht uns nicht um Kunststoffprodukte, die man lange verwenden kann, sondern um Einwegplastik. Die Hälfte des konsumierten Plastiks benutzen wir nicht länger als 20 Minuten. Einen Sixpack Bier kann man auch ohne Plastikring drumherum kaufen, der erst in 400 Jahren abgebaut ist!

Wie erfahren die Supermärkte von der Aktion?

Jeder Supermarkt wird vorab informiert. Das ist angenehmer, als wenn sie auf Facebook erfahren, dass eine Gruppe von Aktivisten zu ihnen kommt. Wir wollen sie zu unseren Partnern machen. Bei der Premiere in Brüssel stellte der dortige Delhaize-Markt Kartons vor die Tür, wo die Leute ihr Plastik lassen konnten. Colruyt und Carrefour überlegen sich noch, was sie tun können. Die Kette Albert Heijn lud uns sogar zu einem Brainstorming ein. Die Konzerne merken, dass immer mehr Bürger an Müllvermeidung interessiert sind. Wenn Konsumenten ihre Kräfte bündeln, können sie Dinge bewegen.

Ist es nicht ein wenig leicht, nur auf die Menge der Verpackungen zu zielen? Allein dadurch, Plastik im Supermarkt zu lassen, wird schließlich noch nicht weniger produziert.

In Berlin startet am Samstag, 5. Mai, eine der ersten Plastic Attacks in Deutschland – auch wenn man hierzulande Umverpackungen, die nur der Werbung dienen, im Laden lassen darf. Die Aktion der BUNDJugend beginnt ab „5 vor 12“ in einem Rewe-Markt in Berlin-Friedrichshain. „Der Clou“ laut BUNDJugend: „nach dem Bezahlen alle gekauften Lebensmittel aus ihren Verpackungen holen und in mitgebrachte Gefäße umfüllen. Und dann …gehen wir einfach!“

Natürlich geht Zero Waste weiter: Nur dadurch, Plastik zurückzulassen, ändert sich noch nichts. Aber es ist ein Statement, ein deutliches Signal der Konsumenten an die Supermarktketten. Sehr viele Leute ärgern sich über das unnötige Plastik, das sie gerne los wären.

Aber ist es nicht das viel größere Problem, dass Menschen Plastik einfach wegwerfen? Wie wollen Sie dagegen vorgehen?

Wir müssen die Leute Schritt für Schritt bei Zero Waste mitnehmen und dabei den Fokus auf den Konsum lokaler Produkte legen. Weniger konsumieren, nachhaltige Materialien aussuchen, Dinge wiederverwerten, einfach sorgfältiger mit unseren Ressourcen umgehen.

Wie kann man vermeiden, dass die Aktion einen Tag viel Aufmerksamkeit bekommt und am Tag darauf genauso viel Plastik verkauft wird?

Ich mache mir keine Illusionen, dass wir mit einer Aktion das Plastik loswerden. Aber ich denke, dass wir viele Menschen überzeugen können, bestimmte Artikel nicht mehr zu kaufen. Oder dass sie ihre eigenen Taschen und Töpfe mit in den Laden nehmen. Und, dass der Handel dann Schritte unternimmt, um den Kunden zu folgen.

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